Toter geht's nicht
voll rumgedruckst hat, wenn ich sie nach der Insel gefragt hab. Wie’s da so aussieht und so. Dad, fuck, was geht da ab?»
«Beruhige dich. Ich denke schon, dass sie dort ist. Guck mal, woher sollen die wissen, dass du wirklich die Tochter bist? Da könnte doch jeder anrufen. Die dürfen dir eben nichts sagen.»
«Ei neeee. Die haben zu mir gesagt, wir dürfen dir keine Infos über Patienten am Telefon geben. Aber wir wissen genau, dass deine Mutter keine Patientin bei uns ist. – Haste das jetzt mal gerafft?»
«Ja, habe ich. Ich glaube dir das ja auch. Wie gesagt, wir quatschen heute Abend, o.k.?»
«Ja.»
Nun scheint sie sich ein wenig zu beruhigen.
«Und denke bitte an Englisch. Ihr schreibt doch morgen, oder? Versuch dich bitte darauf zu konzentrieren. Ich frag dich heute Abend ab.»
«Hohh Mann, musste net.»
«Ich weiß, dass ich es nicht muss. Ich mache es aber trotzdem … Melina? … Hallo?»
Sie hat aufgelegt.
Herr Bärts Haus steht in einer, wie man so schön sagt, besseren Wohngegend am Waldrand von Bad Homburg. Die Bäume, die an beiden Seiten der Straße stehen, kommen genauso klobig und klotzig daher wie sein Haus. Schon von weitem ist zu erkennen, dass hier einer der ganzen Welt zurufen möchte: Schaut alle her, ich habe Geld!
Laurin erkundigt sich, warum wir nicht so ein Haus hätten. Ich lasse die Frage für den Moment unbeantwortet. Markus parkt direkt neben Herr Bärts Einfahrt.
Wir sind fast pünktlich. Ich lege eine Spiderman-DVD in den Laptop, die für Fünfjährige natürlich völlig unpassend ist. Die Hoffnung, dass die Jungs dadurch gebannter vor dem Bildschirm sitzen werden, als wenn sie beispielsweise «Ferien auf Saltkrokan» schauten, halte ich für äußerst begründet. Zudem minimiert sich dadurch die Sorge, dass sie auf die Idee kämen, aus dem Auto auszusteigen.
Markus und ich betreten das Bärt-Grundstück. Die Türglocke klingt so geschmacklos wie ihr Besitzer. Eine kleine Frau öffnet. Sie gehört zu der Gruppe der Menschen, die die Mehrheit der Deutschen nicht in «ihrem» Land haben wollen, trägt ein Kopftuch und spricht die deutsche Sprache brüchig. Herr Bärt scheint nichts gegen ihre Anwesenheit zu haben und integriert sie vermutlich, indem er sie für wenig Geld sein Haus putzen lässt.
«Herr Bärt nicht da, tut leid», sagt sie.
Wann er denn wiederkäme, fragt Markus.
«Nichts weiß, auch Frau Jennifer nicht da, nichts. Herr Bärt in Saunatherme, Frau Jennifer nicht weiß.»
«Ist Herr Bärt hier in Bad Homburg in der Therme?», frage ich nach.
«Bad Homburg, Therme ja, gegangen, Stunde halb.»
Markus und ich überlegen kurz, ob wir im Haus warten wollen, entscheiden uns dann aber, zur Therme zu fahren, um dort am Ausgang auf ihn zu warten. Wir verabschieden uns bei Herr Bärts Putzhilfe und kehren zum Auto zurück. Markus ärgert sich, dass der Kerl sich nicht an den vereinbarten Termin gehalten hat.
«Was denkt er denn, wer er ist», flucht er laut in Richtung Taunus.
Laurin und Lucas sind zutiefst enttäuscht, dass wir nach so kurzer Zeit wieder zurück sind. Sie befürchten, dass es schon vorbei sein könnte mit der Spiderman-Herrlichkeit. Ich erlaube ihnen aber, auch während der Fahrt zur Therme weiterzugucken, und erkläre ihnen, dass wir dort eine Weile auf jemanden warten müssten. Die Jungs nehmen das desinteressiert zur Kenntnis und kleben mit ihren Nasen ebenso hartnäckig am Notebook wie Spiderman an den Wänden amerikanischer Wolkenkratzer.
Zehn Minuten später erreichen wir das Parkhaus der übermotiviert großen Bad Homburger Taunus-Therme.
Die Kinder lassen wir wieder im Auto sitzen. Markus und ich machen uns auf den kurzen Weg durch den Kurpark zum Eingangsbereich der Therme. Dort nehmen wir auf einer Sitzbank Platz. Es duftet nach Sauna-Aufgüssen und Haarshampoos. Wir beobachten Drehkreuze, durch die sich die Gäste mit riesigen Taschen hinein- oder herausdrehen, und blättern dabei in diversen Broschüren herum. Ich lerne, dass wir uns hier an der Pforte eines «kunstvollen Traumes aller Wasserfreuden dieser Erde» befinden. Zudem stünden auch noch «die Elemente der Antike Pate: Wasser, Feuer, Luft und Erde». Hier würde «Badespaß pur» geboten, und zwar «etwas japanisch und etwas finnisch».
«Was machen wir eigentlich, wenn sich Herr Bärt noch sechs Stunden diesem kunstvollen Traum aller Wasserfreuden hingibt?», frage ich Markus, der bereits unruhig durch die Wartehalle auf- und abtigert.
«Henning,
Weitere Kostenlose Bücher