Toter geht's nicht
Drohbrief alle Trümpfe in der Hand hatte.»
«Eben», sagt Herr Bärt.
Wenig später beenden wir das Gespräch und lassen Herr Bärt in Untersuchungshaft bringen.
Miriam, Markus, Teichner und ich bleiben noch eine Weile um den Tisch sitzen.
«Was denkt ihr?», fragt Markus. «Hat er wirklich nur den Sohn auf dem Gewissen?»
«Ich bin sicher, er hat beide umgebracht», sage ich schnell.
«Er wirkt immer wie ein oberhessischer Volltrottel, dabei hat er den Mord an Frank Drossmann so akribisch geplant, da traue ich ihm zu, dass er den Doppelmord nur leugnet, um ein paar Jahre weniger zu bekommen.»
Miriam stimmt mir zu, selbst Teichner nickt. Markus bleibt skeptisch. «Ich werde auf jeden Fall nochmal mit der Mörtelspecht reden.»
Ich blicke auf die Uhr. Es ist fast acht. Ich muss und will nach Hause. Als ich meine Jacke anziehe, stellt sich Markus zu mir.
«Das hätte heute Nachmittag auch verdammt in die Hose gehen können. Das war Harakiri. Wir hätten das absprechen müssen. Wir hatten eine andere Taktik.»
«Ja», sage ich. «Aber ich musste es so machen. Ich weiß auch nicht, warum.»
Dann gehe ich.
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22. KAPITEL
I ch will nach Borkum. Ich will wissen, wo Mama ist. Fuck!»
Melina funkelt mich aggressiv an. Ein falsches Wort, und es eskaliert. Weitere Versuche, sie zu besänftigen, sind völlig sinnlos.
«Okay», sage ich, «ich …»
«Gut, wann geht’s los?», unterbricht sie mich.
«Nein, ich meine …»
«Hohhh Mannnn», kreischt sie und springt von ihrem Stuhl auf.
Dann werde auch ich laut. «Jetzt hör mir mal zu und halt einmal die Klappe! – und zwar gleichzeitig!»
Melina erwägt kurz, noch lauter zu brüllen, entscheidet sich dann aber, nach Betrachten meines tatsächlich äußerst entschlossen daherkommenden Gesichtsausdruckes, für Klappehalten. Sie setzt sich wieder auf ihren Küchenstuhl und blickt mich schweigend an. Ich sehe plötzlich Franziska in ihr. So ähnlich waren sie sich noch nie.
«Wir machen es so: Wir rufen gleich bei Petra an. Du weißt, Petra ist Mamas beste Freundin. Bei ihr war sie, kurz bevor sie in Kur nach Borkum …»
«Sie ist da nicht», fällt mir Melina ins Wort.
«Egal, Petra muss wissen, wo sie ist.»
«Wieso weiß die das und wir nicht?»
«Damit wir Moms nicht suchen. Damit sie ihre Ruhe hat und wieder gesund wird. Das ist nichts gegen uns, verstehst du?»
Melina fängt an zu weinen. Ich stelle meinen Stuhl neben ihren und nehme sie in den Arm. Ich sage nichts. Ich halte sie nur. Sie legt ihren Kopf gegen meine Brust und lässt Wimperntusche und Kajaldings hemmungslos auf meinem weißen Hemd zerlaufen.
Dann gieße ich ihr Cola nach, hole Chips aus dem Schrank und erzähle ihr von ihrem Spiderbruderhelden.
Da muss sie giggeln.
«So», sage ich dann, «jetzt rufen wir bei Petra an. Willst du?», frage ich und halte ihr das Telefon hin.
«Gib her», sagt sie entschlossen und wählt. Wir stellen auf laut, damit ich mithören kann.
Es meldet sich Oliver, Petras Mann, der Melina altklug darauf hinweisen muss, wie spät es schon ist. Es ist 22.48 Uhr.
Ich verdrehe die Augen, denn es ist nicht vier Uhr morgens, sondern Viertel vor elf. Dann meldet sich Petra.
«Melli, was ist denn? Ist was passiert?»
«Nein, nix passiert. Ich will von dir nur die Wahrheit wissen», sagt meine Tochter.
Ich höre ein Schlucken durch die Telefonleitung.
«Ich weiß, dass Mama nicht in Borkum in Kur oder so ist.»
Petra ringt spürbar nach Worten.
«Hat dein Papa dir gesagt, dass du anrufen sollst?», stammelt sie.
«Nö. Der ist gar net da», lügt Melina zurück. «Mama hat hier angerufen. Ich hab gemerkt, dass da was nicht stimmt. Und dann hab ich gegoogelt. Ich will das jetzt wissen. Sie hat eh davon gelabert, dass sie bald wiederkommt.»
«Dann lass ihr doch noch die Zeit.»
«Nö! Die Zeit ist over, Alter. Ich will jetzt wissen, wo sie ist.»
Der saß wie ’ne Eins, der Satz. Wieder durfte ich was lernen, nämlich dass das «Alter» geschlechtsneutral verwendet werden kann.
«Melli, ich kann das ja verstehen, aber ich habe deiner Mutter versprochen …»
«Also, isse wirklich nicht in Borkum?»
«Nein, ja. Ach, Scheiße …»
Einen kurzen Moment herrscht Stille.
«Melli», sagt Petra dann wieder, «ich habe deiner Mama versprochen, es nicht zu verraten. Sie ist meine beste Freundin. Du willst doch auch nicht, dass deine beste Freundin ein Geheimnis, das du nur ihr anvertraut hast, weitererzählt,
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