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Totgeburt

Totgeburt

Titel: Totgeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam E. Maas
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genug Anstand, nicht einfach wegzulaufen … du hast aber dran gedacht, nicht wahr? Während ich unter der Dusche stand, da wolltest du bestimmt schon stiften gehen. Wann wolltest du eigentlich mal Danke sagen?“
    Sie stand nun genau vor ihm. Ihr Zeigefinger bohrte sich in seine Brust, tippte auf und ab. Ihre Nägel waren hart wie Krallen. Er versuchte auszuweichen, rutschte die Couch hinab, doch sie kam immer näher.
    „So seid ihr Männer. Immer auf der Suche nach einem Mami-Ersatz. Wäsche machen, Kochen, pflegen. Und was ist mit meinen Bedürfnissen? Mami braucht auch Liebe.“
    Sie schubste ihn um, glitt hinterher und setzte sich auf ihn. Was war mit ihr los?
    „Wenn du gehst, ohne Danke zu sagen, bist du ein Schmarotzer. Draußen bist du bloß ein Penner. Du willst doch Danke sagen und du willst auch hier bleiben, nicht wahr?“
    „Danke“, kam es aus seinem Mund geschossen.
    „Ach, das kannst du doch viel lieber sagen. Ich habe dir geholfen, dafür hilfst du jetzt mir. Hier muss keiner zum Schmarotzer werden.“
    „Danke für alles“, versuchte er es wieder.
    „Bitte schön. Das habe ich doch gerne gemacht“, sagte sie und öffnete das Handtuch.
    ***
    Die Tage vergingen schnell. Sie waren gefüllt mit Videos und Sex, dazu kamen noch die Drogen. Sie hatte keinerlei Probleme bei deren Beschaffung. Tina brauchte nur ihren Bekannten anzurufen und der brachte ihr die Bestellung bis an die Haustür. Wieso war sie eigentlich im Park gewesen, wenn sie es so einfach haben konnte? Er stellte die Frage nicht, sie würde ihre Gründe gehabt haben.
    Gute Kontakte seien das A und O in dieser Welt, hatte sie gesagt, die seien um einiges wichtiger als Geld. Geld sei lediglich eine Motivationshilfe. Es sei aber eben nicht das einzige Mittel, um Menschen Dinge tun zu machen. Tina hatte leicht reden, Sebastians Welt hatte sich vor kurzem noch um jeden Cent gedreht.
    Um so mehr genoss er den nie zuvor gekannten Luxus. Für ihn äußerte sich Luxus nicht in all dem teuren Mist, den es zu kaufen gab wie Uhren und Autos, sondern in einem sorglosen Dasein. Auf einmal lebte er im Paradies, er brauchte sich nicht mehr darum zu kümmern, wo er die nächste Mahlzeit, trockene Unterkunft oder seine Drogen herbekam. Dazu kam noch diese wunderschöne Frau und die Zuneigung, die sie ihm schenkte.
    Vielleicht musste er überhaupt nicht sterben, um richtig Urlaub zu machen. Tina hatte ihn bereits einmal vom Abgrund weggerissen, also wieso nicht ein zweites und drittes Mal?
    Der Abgrund, es gab ihn nur in seinem Kopf. Er war bloß Einbildung, Ausdruck einer kranken Seele und Tina konnte ihm bei seiner Genesung helfen. Würde er jemals wieder versuchen, sie zu verlassen? Nein, niemals. Er würde alles tun, damit sie ihn nicht vor die Tür setzte. Sie allein entschied, wie lange er im Paradies bleiben durfte.
    ***
    Sie lagen auf der Couch, die sie seit zwei Tagen nicht mehr verlassen hatten und ihm fiel auf, wie wenig er sich mittlerweile bewegte. Noch vor kurzem war er jeden Tag kilometerweit herumgerannt: Drogen dort, Geld hier, Essen da, schlafen, wo auch immer.
    Das letzte Mal als er vor der Tür gewesen war, hatte er im kleinen Supermarkt, der keine zehn Minuten von der Wohnung entfernt war, ein paar Kleinigkeiten gekauft, Fertiggerichte und Alkohol. Denn sie kochten nicht. Meistens steckten sie was in den Ofen oder in die Mikrowelle oder sie bestellten gleich beim Lieferservice. Tina aß sowieso so gut wie nichts. Ihre Ernährung beschränkte sich weitgehend auf Snacks, welche sie beim Fernsehen zu sich nahm. Sie trank viel. Wodka, Rum, Whiskey, hartes Zeug eben.
    Ob sie magersüchtig war? Jedenfalls hatte sie Essstörungen. Aber es lag nicht an ihm, ihr vorzuschreiben, wie sie zu leben hatte. Sie waren ständig zugedröhnt. Die Zwei lebten im Scheiß-Egal-Land, wo nicht über Probleme gesprochen wurde.
    Am Liebsten hätte er die Wohnung gar nicht mehr verlassen. Sie zwang ihn jedes Mal dazu und sobald er draußen war, kam die Kälte. Sein Blick klebte dann wieder auf dem Boden, dass er nur die Füße der Passanten zu sehen bekam. Diese Füße, sie waren gefährlich, sie drohten ihn zu zertrampeln.
    Nichts war schöner, als wieder nach Hause zu kommen — nach Hause! Mit jedem Schritt, der ihn Tina näher brachte, wurde er aufgeregter, fast schon fröhlich. Wenn er schließlich vor der Wohnung stand, kletterte sein Blick langsam die Tür hinauf und blieb dann knapp unter Augenhöhe stehen.
    Was, wenn er eines Tages zurückkam, nur

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