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Totgeburt

Totgeburt

Titel: Totgeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam E. Maas
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bestimmten vorgegebenen Mustern. Alle Filme taten das. Sie zeigten, was die Leute sehen wollten. Natürlich war der Ausgang der Geschichte bekannt, das Ende stand immer fest, noch bevor es aufgeschrieben wurde. In Hollywood war alles determiniert. Man musste die Leute ja ködern und das ging nicht ohne Happy End. Wieso war ihr die Prophezeiung denn so wichtig?
    „Die Geschichte lehrt doch, dass technisch unterlegene Zivilisationen ausgelöscht werden. Das ist kein Zufall, sondern Gesetz. Nicht umsonst ist die Menschheit ständig damit beschäftigt, neue Waffen zu entwickeln. Wer sich weigert beim Fortschritt mitzumachen, wird dafür abgestraft. Sprich ausgelöscht. Die Kinder hätten nur ein Waffenlager der Armee plündern müssen. Dann hätten sie auf einmal Scharfschützengewehre, Panzerfäuste, Maschinengewehre und Sprengstoff gehabt. In Afghanistan hat ein Soldat einen Taliban auf 2,8 Kilometer Entfernung mit einem Gewehr erschossen. Da kommt die Kugel vor dem Schall an! Aus unerfindlichen Gründen haben sie sich geweigert, ihre Vorteile zu nutzen. Und das obwohl es um ihre Existenz ging.“
    Sie hörte gar nicht mehr auf, über die Vielfalt der Möglichkeiten zu spekulieren — wieso kannte sie sich mit Kriegsführung und Terror aus?
    „Der Wildhüter zum Beispiel, er trägt eine Armbrust. Wieso kein Gewehr? An einem gewissen Punkt in ihrer Entwicklung hat deren Gesellschaft sich dem Fortschritt entsagt. Sie müssen die Entscheidung ganz bewusst getroffen haben. Ihre Dummheit geht noch einen Schritt weiter. Die wenigen Errungenschaften, die sie haben, schaffen sie auch noch ab. Der Stein der Weisen. Vernichtet. Die Uhren mit denen man die Zeit zurückdrehen kann. Alle vernichtet … wir reden hier über göttliche Macht! Und diese Streberin bekommt die Uhr, damit sie besser lernen kann. Ich lach mich tot. Der mächtigste Zauberstab der Welt. Vernichtet. Und der einzige unter den Zauberern, der sich für Technik interessiert, wird dafür gemobbt … jeder afrikanische Warlord ist grausamer und erfolgreicher als der Dunkle Lord. Wieso hat er keine Atombombe geklaut? Deren Welt steuert unweigerlich auf die Steinzeit zurück. Das darf nicht sein!“
    Sebastian fühlte, dass seine Meinung nicht gefragt war, sie beachtete ihn überhaupt nicht. Fassungslos lauschte er ihrem Monolog. Erst am Ende, als sie schweigend ins Nichts blickte, raffte er seinen Mut zusammen. Er wollte etwas beitragen oder vielmehr sich einfach bemerkbar machen.
    Mit zittriger Stimme, Tina aus dem Augenwinkel betrachtend, sprach er nun: „Ich verstehe das Problem nicht. Es handelt sich doch nur um einen Kinderfilm. Der hat gar keinen Anspruch auf Realismus. OK, du hast zwar recht, dass deren Gesellschaft dekadent ist, aber doch nur, was die Technik angeht. Moralisch gesehen, haben sie gewonnen. Das Leben hat gewonnen. Im Gegensatz zu den echten Menschen … uns, hier auf der Erde, werden sie niemals Opfer ihres eigenen Fortschritts werden. Das Streben nach immer größeren Waffen hat die Welt erst an den Rand der Vernichtung gebracht. Deren Einstellung zum Fortschritt ist um einiges gesünder als unsere. Deswegen haben die den Zauberstab vernichtet.“
    Das Auge des wunderlichen Wesens, der Frau, die er wohl niemals begreifen würde, fixierte ihn wieder. Oh ja, jetzt galt ihm ihre volle Aufmerksamkeit!
    Zunächst schien Tina überrumpelt, ja, fassungslos. Dann sah er ihr den Zorn an. Was er jedoch nicht sah, war die Wasserflasche, welche plötzlich auf seinem Kopf einschlug. Sie traf ihn nicht nur ein Mal, nein, dutzende Male traf sie ihn. Vielleicht eine Minute lang ging die Flasche auf ihn nieder und währenddessen beschimpfte sie ihn als einen dummen Hippie, Nichtsnutz, als ein stinkendes Tier und — Menschen?
    Es tat nicht wirklich weh, die Flasche war ja aus Plastik und so gut wie leer. Es ging ihm vielmehr um die Geste.
    Später sollte er noch merken, wie nachtragend sie sein konnte. Hatte sie die Nächte zuvor sichergestellt, dass er genug Flüssigkeit zu sich genommen hatte, gab sie ihm dieses Mal keinen einzigen Tropfen zu trinken und er wagte sich nicht, sich selbst zu bedienen. Stattdessen kugelte er sich zusammen, wiegte sich hin und her und betete, sie möge ihn nicht vor die Tür setzen. In jener Nacht nahm Sebastian sich vor, Tina nie wieder zu kritisieren, obwohl er nicht wirklich verstehen wollte, was er schlimmes gesagt hatte.
    ***
    „Gefallen dir die Filme etwa nicht?“, fragte sie, wobei sie gähnte.
    „Doch, klar. Die

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