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Totgeburt

Totgeburt

Titel: Totgeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam E. Maas
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und man bereute nichts.
    Die Stadt mochte nie Schauplatz eines großen Krieges gewesen sein und doch steckte die Gewalt in ihr, war sie doch Hochburg des amerikanischen Gangstertums gewesen.
    So ganz stimmte die Sache mit dem Krieg auch nicht, denn Nevada war die Mutter der modernen Kriegsführung. Von hier aus wurden die Drohnen gesteuert, welche den Beginn der mechanisierten Vernichtung darstellten.
    Marie liebte die Stories und Anekdoten der alten Mafiabanden und sie verehrte ihre Barden wie Sinatra und das Rat Pack. Ganz im Zeichen der Erinnerung an die Großen von einst stand daher der Besuch der Ausstellung ‚Las Vegas Mob Experience‘ und des Mob Museums. Ihre Zuneigung für den Mob kam nicht von ungefähr, arbeitete sie ja in derselben Branche.
    Sie hörte nicht auf, den Wegbegründern Respekt zu zollen und begab sich sogleich zur Fremont Street. Die Schlucht aus Neon war Aushängeschild der Stadt und fehlte in so gut wie keinem Hollywood Film, der in LV spielte. Im Vorbeigehen grüßte sie Vegas Vic, den wohl letzten Amerikaner, der in der Öffentlichkeit ungestraft rauchen durfte. In dieser Straße tanzten junge Frauen für Mammon, während geile Männer dem König Asmodaeus opferten. Zum wievielten Male ihr Elvis begegnet war, konnte sie nicht sagen, doch da waren auch Batman, Wonderwoman, Marilyn und Michael.
    An Tagen wie diesen liebte Marie die Welt geradezu, doch Las Vegas war nicht die echte Welt, es war bloß Blendwerk, überspielte die Wirklichkeit mit seinem widernatürlichen Licht.
    Licht? Das hellste menschengemachte Licht, das hier je geschienen hatte, stammte nicht aus irgendwelchen schnöden Röhren. Nein, weit gefehlt, es stammte aus nuklearen Kettenreaktionen. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Stadt hatte die Armee nämlich ein Atomwaffentestgelände betrieben, die Nevada National Security Site oder kurz N2S2. Dort hatte man die Bombe anfangs noch oberirdisch gezündet, denn in den Fünfzigern hatte man noch keine Berührungsängste vor dem Atom gehabt. Die Einwohner von Vegas, a.k.a. der ‚Atomic City USA‘, lebten mit ihr und von ihr. Ein heute bizarr anmutendes Ritual hatte die Menschen von nah und fern herbei gelockt. Da die Tests nur etwa hundert Kilometer vom Zentrum entfernt stattgefunden hatten, hatte man die Explosionen und die Atompilze von den Etablissements aus gut beobachten können. Die Hotels und Bars hatten Bomben-Partys veranstaltet, wo die Touristen cocktailschlürfend auf die nächste Detonation gewartet hatten und vereinzelt auf die Dächer geklettert waren, um freie Sicht auf das Spektakel zu bekommen. Es wurden sogar Picknicks unter freiem Himmel organisiert an Plätzen, die möglichst nah am Ground Zero lagen. Auf Klappstühlen sitzend genossen die Menschen den Blitz, die Druckwelle, den Pilz und dann den Fallout — der radioaktive Niederschlag war auf sie hinabgerieselt!
    ***
    Caspar und Marie hatten die Tage auf die für sie angenehmste Art und Weise verlebt, jeder für sich, doch wollten sie den Abend vor der großen Show gemeinsam verbringen. Sie saßen gerade im Kosmetiksalon, später würden sie noch zum Friseur gehen und anschließend zur Massage. Sie hatte ihren Bruder erst dazu überreden müssen mitzukommen, weil es seine Planungen durcheinanderbrachte, aber er hatte es geschafft, seine drei Orgien vorzuverlegen. Mittlerweile bereute er seine Entscheidung nicht im Geringsten und kostete das Wellness-Angebot aus — Caspar liebte es zutiefst von den Menschen bedient zu werden.
    „Wie machst du das eigentlich?“, fragte Marie.
    „Was?“
    „So viele Frauen durchzumachen.“
    „Ich bin halt gut.“
    „Du hast keine Scheiße gebaut?“
    „Waren die Cops da?“
    „Nein. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass eine Nutte im Bettkasten eines Hotelzimmers verschwand.“
    „Überzeug dich selbst.“
    „Schon OK.“
    Sie blätterte die Zeitschrift durch, während eine dumme Blondine sich um ihre Füße kümmerte.
    „Bist du aufgeregt?“, fragte sie.
    „Wegen morgen? Quatsch.“
    „Es ist dir egal.“
    „Ja.“
    Ihr war es immer noch nicht egal, auch wenn sie das Grübeln mehr oder weniger eingestellt hatte. Sie hoffte darauf, dass sie am nächsten Tag mehr erfahren würde, versprochen hatte es der Alte zumindest. Vielleicht würde er sie aufklären, bevor sie in Rente geschickt wurde. Sie hatte es sich redlich verdient.
    Sie staunte über die Bilder des schwarzen Alls, die Endlosigkeit, die Kälte, die Milliarden von Sterne, kaum vorstellbar,

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