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Totgeburt

Totgeburt

Titel: Totgeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam E. Maas
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Slogan versehen: ‚Girls Direct‘. Über hunderte von Metern hinweg, in geringem Abstand zum jeweiligen Nachbar, reihten sie sich perlenkettengleich aneinander. Illegale Einwanderer verkauften das Fleisch junger Schönheiten aus aller Herren Länder.
    Gierig sammelte Caspar die Karten auf. Schon lange fand er keine Freude mehr daran. Er hatte vielmehr Angst, eine Karte einer Dame auszulassen. Der Kerl steckte offensichtlich in einem Dilemma, denn auf der einen Seite wollte er sofort zur Tat schreiten und auf der anderen Seite wollte er nicht voreilig handeln, nur um seine Wahl später bereuen zu müssen. Seine Situation war ein Paradebeispiel für den Kampf von Geist und Leib. Caspar zeigte sich von seiner schrecklichen, zutiefst menschlichen Seite. Am Liebsten hätte Marie der Sache ein Ende bereitet und ihn erlöst, aber sein Drang war nicht zu bändigen. Seine Lanze, wie der Kerl sein Ding gerne nannte, trieb ihn unerbittlich an. Lustigerweise schien das Teil ihn heftiger zu stechen als jeden anderen.
    Mittlerweile hatte er so viele Karten eingesammelt, dass Marie ihm einen Stapel abnehmen musste, damit sie ihm in der Aufregung nicht hinfielen. Er konnte nicht alle haben, dafür war die Zeit einfach zu knapp. Er musste sich auf die besten und vielversprechendsten Huren beschränken. Das war der Spießrutenlauf, an dessen Ende noch die Qual der Wahl stehen würde. Marie nahm sich vor, ihm nicht bei der Wahl behilflich zu sein, wusste sie doch, dass er nachtragend sein würde, falls er eine Enttäuschung erleben sollte.
    Dieser tierische Basar erinnerte sie an den Schokoriegel. Das Verbot von Prostitution stand hier ebenfalls nur auf dem Papier und wirklich illegal waren die Illegalen auch nicht. Was würde denn passieren, sollte man all die billigen Lohnsklaven des Landes verweisen? Man wusste, was geschehen würde, sie waren ja noch hier.
    Alles geschah unverhüllt in aller Öffentlichkeit. Diese Stadt, sie lebte vom Laster. Ein Sinn für charakterliche Schwäche hatte sie erträumt und geboren. Wie keine andere Stadt der USA lebte und zehrte sie von der Sünde — außer New York vielleicht mit seiner Wallstreet, na gut, und Washington mit seinen korrupten Politikern … also, keine andere Stadt in den USA rühmte sich so offen dafür und zelebrierte die Sünde, wie LV es tat. Diese Stadt war eine Oase, ein grüner Garten in einer trockenen, staubigen und lebensverneinenden Wüste menschlicher Scheinmoral.
    „Ich werde eine Orgie feiern müssen“, sagte der gestresst blickende Caspar. Er hatte anscheinend doch noch Zeit gefunden, sich Gedanken zu machen. „Am vierzehnten treffe ich meine Schwester, hast du gesagt?“
    „Ja. Und ich nehme an, da geht der ganze Tag drauf“, sagte sie.
    „OK. Sagen wir mal, drei auf einmal, dreimal täglich. Am elften, zwölften und dreizehnten. Dann einen Tag Zwangspause, wo ich mein Schwesterchen treffe. Oh Mann, danach mach ich aber weiter. Wie war das noch mal? Am achtzehnten fliegen wir nach Hause, oder?“
    „Ja.“
    „Hilfst du mir bei der Auswahl? Ich will so viele unterschiedliche Typen wie möglich durchmachen.“
    „Nein.“
    „Hey“, sagte Caspar, den ihre ablehnende Haltung nicht beeindruckte, „vielleicht gibt's hier auch eine Indianerin.“
    ***
    Caspars Vorhaben drei Nutten auf einmal zu befriedigen und das drei mal täglich und dazu noch das Versprechen, keinen Unsinn zu machen, sprich keine von ihnen zu schlagen, zu quälen oder zu töten, gab Marie Zeit, die Stadt zu erkunden.
    Glücksspiel interessierte sie nicht und Prostitution genauso wenig. Wonach es ihr stand, das war Kultur.
    Als erstes sah sie sich den hauseigenen Magier, die Tänzerinnen und die Shows an. Danach schlenderte sie durch die umliegenden Anwesen, die alle mit jeweils eigenen Attraktionen aufwarten konnten. Zu den Klängen von ‚Time To Say Goodbye‘ bestaunte sie das Wasserspiel der Springbrunnen des Bellagio, sie erlebte den Untergang von Atlantis im Caesar's Palace und fuhr auf einer Achterbahn durch den Nachbau der Skyline von New York, die in weiser Voraussicht ohne die Zwillingstürme konstruiert worden war.
    Vegas war nicht ohne Kultur, wie die arroganten Kritiker gerne behaupteten. Im Gegenteil, Vegas war eine Stadt mit Geschichte. Eine Stadt, die es geschafft hatte all die alten Städtchen Europas, die im Dornröschenschlaf versunken lagen, in einem hundertjährigem Senkrechtflug zu übertreffen. Man lebte schnell und intensiv wie auf Koks, man liebte leicht und viel

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