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Totgeglaubt

Totgeglaubt

Titel: Totgeglaubt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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wollte nicht mit dem Finger auf Clay zeigen. Zumindest nicht, ohne Beweise zu haben, hieb- und stichfeste kriminaltechnische Beweise. Auf einfache Behauptungen und Hörensagen würde sie sich nicht verlassen. Und sie war gut genug, um Beweise zu finden. Irgendwann.
    Aber irgendwann war nicht jetzt, und in ein paar Stunden würde Clay ohnehin zu hören bekommen, was Beth Ann ihr anvertraut hatte. Besonders, weil Hendricks jetzt auch Bescheid wusste. Ihr Kollege hatte begierig jedes Wort aufgesaugt, das Miss Cole zu Protokoll gab. Wenn Allie es Clay nicht selbst sagte, würde er vermutlich den Eindruck bekommen, sie hätte ihn hintergangen. Und sie wollte niemanden verprellen, der in den Fall verwickelt war, denn bereits vor langer Zeit hatte sie gelernt, dass Hilfe oft von unerwarteter Seite kam. “Ich denke nicht, dass die Sache genügend Substanz hat für eine Klage wegen versuchten Mordes, wenn es das ist, was Sie meinen.”
    Durch ihren Tonfall deutete sie ihm an, dass es da aber durchaus noch etwas anderes gab, und er verstand die Andeutung.
    Mit leicht gespreizten Beinen stand er da und verschränkte die Arme. “Ich bekomme langsam den Eindruck, dass ich nicht ganz auf dem Laufenden bin.”
    Allie saß auf der Schreibtischkante. “Nicht ganz.”
    Bevor sich seine Miene wieder verschloss, entdeckte Allie noch einmal die Müdigkeit und Abgespanntheit auf seinem Gesicht, die sie zwischendurch immer wieder bemerkt hatte.
    “Na, dann schießen Sie doch einfach los.”
    “Miss Cole sagt, dass Sie Ihren Stiefvater umgebracht haben.”
    Das schien ihn nicht weiter zu berühren. “Viele Leute behaupten das.”
    “Sie behauptet allerdings, dass Sie es ihr gestanden haben.” Allie presste ihre Hände zusammen. Sie ahnte, wie furchtbar ihre Worte für ihn sein mussten, falls er unschuldig war. “Sie hat ihre diesbezügliche Zeugenaussage gerade unterschrieben”, fügte sie so behutsam wie möglich hinzu.
    Allie hatte damit gerechnet, dass er wütend und laut werden würde, so wie bei der Erwähnung der tatsächlichen oder vorgetäuschten Schwangerschaft. Aber er starrte sie nur an – oder besser gesagt: Er starrte durch sie hindurch.
    “Ich habe gar nichts gestanden”, sagte er schließlich.
    “Das bedeutet nicht, dass Sie unschuldig sind”, sagte sie, um seine Reaktion zu testen.
    Ein tiefer Atemzug hob und senkte seine Brust. “Es bedeutet aber auch nicht, dass ich schuldig bin.”
    Allies Nachhaken hatte ihn nicht dazu gebracht, mehr zu verraten, als er verraten wollte. Aus seiner Antwort konnte sie ablesen, dass er bereits wusste, dass Beth Anns Aussage nicht so belastend war, wie seine Gegner es sich vielleicht wünschten. Deshalb fragte sie ohne Umschweife: “Was ist da wirklich los? Legt sie es darauf an, Sie dranzukriegen?”
    “Natürlich. Und sie ist nicht die Einzige.”
    “Das ist das Problem, oder?”, fragte sie. “Erfreulicherweise geht es mir persönlich aber nur darum, die Wahrheit aufzudecken.”
    Er nahm das Bild von Whitney in die Hand, das auf ihrem Schreibtisch stand. “Es stimmt also, was ich gehört habe?”
    “Was haben Sie denn gehört?”
    “Dass Sie wild entschlossen sind, herauszufinden, was mit meinem Stiefvater passiert ist?”
    Sie wartete mit ihrer Antwort, bis er sie wieder anschaute. “Madeline hat mich um Hilfe gebeten. Wir kennen uns seit der Highschool und hatten in den letzten Jahren immer wieder mal Kontakt. Um ihretwillen würde ich den Fall gern zu einem Ende bringen, wenn ich kann.”
    Er stellte das Foto zurück auf ihren Schreibtisch. “Madeline glaubt immer noch daran, dass ihr Vater lebt.”
    “Und was glauben Sie?”, fragte sie.
    “Na ja, neunzehn Jahre sind eine lange Zeit. Es wird nicht leicht sein, noch irgendetwas zu finden.”
    War das Wunschdenken? Oder gab er sich nur realistisch? “Ich habe Fälle gelöst, die noch weiter zurückreichten.”
    “Ich nehme mal an, dass es in Ihren Fällen kriminaltechnisch verwertbare Beweise gab. In diesem Fall gibt es keine Beweise. Viele andere Leute haben schon vergeblich danach gesucht – Ihr Vater eingeschlossen.”
    “Ich habe Möglichkeiten an der Hand, die man damals noch nicht hatte.”
    “Das klingt vielversprechend”, entgegnete er, aber als Allie seine gekräuselten Lippen sah, fragte sie sich, ob er das nicht nur sarkastisch meinte.
    “Wenn Ihr Stiefvater tot ist, würden Sie dann seine Mörder nicht vor Gericht sehen wollen?”, fragte sie.
    Seine Miene verriet keine Gefühlsregung.

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