Totgeglaubt
und ging. Sie bat Allie nicht, die Fotos sehen zu dürfen, und auch nicht, dabei zu sein, wenn sie sie vernichtete. Aber Allie tat genau das, was Grace sich gewünscht hatte: Sie warf die widerwärtigen Fotos direkt in Clays Kamin. Und während sie zusah, wie sie sich in den Flammen krümmten, hoffte sie, Barker möge sich in der Hölle genau so winden, bevor er zu Asche wurde.
Die Fotos der anderen beiden Mädchen hingegen bewahrte Allie auf. Zwar ahnte sie, dass sie eine Gefahr für Madelines Seelenfrieden darstellten und dass Clay und Grace auch diese Bilder gerne vernichtet wüssten, aber vielleicht tauchte Barkers Leiche ja doch irgendwann auf. Und dann würden die Montgomerys dieses Beweismaterial brauchen können.
20. KAPITEL
C lay stand am Rand der Tanzfläche und trank ein Bier. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er für den Rest des Abends einfach so stehen bleiben können, so gut fühlte es sich an, wieder in Freiheit zu sein. Molly war in der Stadt, um Graces Baby zu besuchen. Und da Mutter und Kind früh schlafen gegangen waren, hatte Clay seine jüngste Schwester zum Tanzen ausgeführt.
Die Billardhalle war die perfekte Wahl, um den Abend ausklingen zu lassen. Und Molly schien sich beim Tanzen mit einem Cowboy, der erst kürzlich nach Stillwater gezogen war, auch prächtig zu amüsieren.
Clay musste lächeln, als er sie beobachtete. Er mochte Mollys lautes Lachen und ihre lebhafte Art zu sprechen aus vielen Gründen, am meisten jedoch, weil beides im krassen Kontrast zur düsteren Vergangenheit und seiner eigenen drückenden Gegenwart stand. Bei Molly schienen die Ereignisse jener fatalen Nacht die geringsten Spuren hinterlassen zu haben. Sie war damals zu jung gewesen, um zu verstehen, was ihr Stiefvater Grace angetan hatte. Sie wusste lediglich, dass es einen Streit und danach einen schrecklichen Unfall gegeben hatte, und dass sie die Angelegenheit vertuschen mussten, damit ihre Mutter nicht eingesperrt wurde. Denn sonst wären die Geschwister auseinandergerissen und auf unterschiedliche Pflegefamilien verteilt worden.
Clay lehnte sich an die Wand und trank einen großen Schluck Bier. Molly musste das Ganze immer noch ziemlich abstrakt vorkommen. Da Grace sich stets geweigert hatte, Barkers Namen auch nur zu erwähnen, ging Clay davon aus, dass Molly keines der grauenvollen Details kannte. Auch die Fotos, die er und seine Mutter in jener Nacht in Barkers Büro gefunden und vernichtet hatten, kannte sie nicht. Während Grace die ganze Nacht hindurch funktioniert hatte wie ein Roboter, um Clay und Irene zu helfen – sie hatte sogar geholfen, das Blut wegzuschrubben –, hatte sich Molly die Ohren zugehalten und war auf ihr Zimmer gerannt. Erst am folgenden Morgen, als alles vorbei war, war sie wieder herausgekommen.
Noch vor weniger als zwei Jahren hatte Molly Clay erzählt, dass die besagte Nacht für sie eher ein schlechter Traum gewesen war als irgendetwas anderes.
Glückliches Mädchen …
Clay bemerkte, wie Molly ihn über die Schulter des Cowboys, ihres Tänzers, hinweg anschaute. Mit dem Hals seiner Bierflasche deutete er in ihre Richtung.
Sie winkte ihm zu und bedeutete ihm, sich zu ihnen auf die Tanzfläche zu gesellen. Aber er schüttelte den Kopf. Er hatte keine Lust, sich nach einer Tanzpartnerin umzusehen. Zwar war er nicht mehr im Gefängnis, was ihn ziemlich euphorisch machte, doch den Gedanken, nur auf Kaution frei zu sein, konnte er trotzdem nicht abschütteln. Und auch nicht den an die schwierige Gerichtsverhandlung, die ihm bevorstand. Und das war noch nicht alles, was ihm Sorgen bereitete. Seit ihre Affäre mit Chief McCormick aufgeflogen war, hatte sich Irene in ihrer kleinen Doppelhaushälfte verschanzt. Laut Madeline war sie nicht einmal zur Arbeit erschienen.
Clay hätte seine Mutter ja besucht und getröstet, aber er ärgerte sich maßlos darüber, dass sie zu McCormick zurückgekehrt war. Irene hatte die damit ohnehin schon komplizierte Situation noch weiter verschärft …
Clay zog eine Grimasse. Irgendwie führte ihn jeder Gedankengang zurück zur Tochter des Polizeichefs. Obwohl Grace ihm versichert hatte, dass es Allie gut ging, hätte er sie gerne angerufen, um sich selbst davon zu überzeugen. Aber das ging nicht. Wie sollte sie in ihr altes Leben zurückkehren, wie sollte sie weiterleben, als würde er nicht existieren, wenn er sie ständig anrief?
“Clay! Gut siehst du aus.”
Helaina, eine Frau, mit der er früher einmal etwas gehabt hatte, war zu
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