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Totgeglaubt

Totgeglaubt

Titel: Totgeglaubt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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gemeinsames Eigentum aufteilen wollt.”
    “Ich bekomme die Hälfte von allem”, erklärte ihre Mutter. “Ich bin seit dem Tag unserer Hochzeit eine treue Ehefrau gewesen.”
    “Ich habe einen großen Fehler gemacht”, sagte Dale mit kläglicher Stimme.
    Evelyn klammerte ihre zitternden Hände fest zusammen. “Willst du mir etwa weismachen …”, sie zögerte, “… dass du sie nur einmal getroffen hast?”
    Dale antwortete nicht.
    “Nein, natürlich nicht.” Die emotionale Anspannung forderte ihren Tribut. Evelyn war sichtbar am Ende ihrer Kräfte. Ihre Mutter musste ihren Schmerz verarbeiten, statt ihn zu leugnen, doch so positiv Allie dem auch gegenüberstand: Sie wollte nicht, dass das vor Whitneys Augen geschah. Die Bilder konnten sich mit unabsehbaren Folgen ins Gedächtnis ihrer Tochter einbrennen.
    “Wenn ihr nicht wollt, dann gehen Whitney und ich eben raus”, sagte sie.
    Evelyn hob eine Hand, um sie aufzuhalten. “Nein. Dein Vater ist derjenige, der das Haus verlässt.”
    “Aber Großvater tut es doch leid”, wandte Whitney ein. “Kann er dann nicht bleiben, Boppo? Kannst du ihm nicht Frühstück machen, so wie immer?”
    Evelyn, ganz damit beschäftigt, ihren Mann anzustarren, gab keine Antwort. “Sie muss dir sehr am Herzen liegen”, flüsterte sie. “Ansonsten kann ich mir nicht vorstellen, warum du mir das angetan hast.”
    Sein Blick wanderte zu Boden. “Ja, sie liegt mir am Herzen. Daraus mache ich gar keinen Hehl. Aber du liegst mir sehr viel mehr am Herzen.”
    Niemand sagte ein Wort, während Evelyn die Tränen über die Wangen liefen.
    Allie fühlte sich zerrissener als je zuvor in ihrem Leben, doch sie brachte die Kraft auf, ihre Mutter tröstend am Arm zu berühren.
    Doch Evelyn machte sich ganz steif und blinzelte ihre Tränen weg. “Warum hast du es dann getan?”, fragte sie ihren Mann. “Warum?”
    Dale ließ den Kopf hängen. “Ich … ich werde langsam älter. Aber … ich wollte das nicht! Ich wollte keine Diät machen und auf meinen Blutdruck achten. Ich wollte einfach nicht wahrhaben, dass mir Haare ausfallen und ich zugenommen habe. Und Irene hat mich all das vergessen lassen. Sie hat mir Käsekuchen gebacken und Wein nachgeschenkt … Bei ihr habe mich wie eine jüngere, starke Ausgabe meiner selbst gefühlt. Ich weiß, dass das als Entschuldigung nicht ausreicht; mir kommt es jetzt selbst ziemlich dürftig vor. Aber es ist alles, was ich dazu sagen kann.”
    “Ich finde, dass du gut aussiehst, Opa”, sagte Whitney.
    Dale lächelte seine Enkeltochter traurig an.
    “Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll”, erwiderte Evelyn. “Ich weiß nicht, was ich fühle, und ob ich je darüber hinwegkommen werde.”
    “Wirst du es wenigstens versuchen?”, fragte er ernst.
    Allie wusste, dass es in einer kleinen Stadt wie Stillwater nahezu übermenschliche Kräfte kosten würde, um allein mit der Scham fertig zu werden. Und das war nur eines der Gefühle, die ihre Mutter gerade quälten.
    “Ich werde darüber nachdenken”, sagte Evelyn. “Mehr kann ich momentan nicht versprechen.”
    “Danke”, erwiderte Dale. “Wirst du nach Hause zurückkommen?”
    Evelyn schüttelte den Kopf, und er zuckte zusammen.
    “Bitte denk auch darüber nach.”
    “Wird sie”, versicherte Allie. “Aber nun solltest du wirklich gehen.”
    Dale ging zur Tür, und Allie folgte ihm, um ihn hinauszulassen. Sie war sich über ihre Gefühle für ihren Vater nicht im Klaren, aber dass sie ihn in einer verborgenen Ecke ihres Herzens immer noch liebte, das wusste sie. Nur war diese Liebe jetzt mit vielen anderen Gefühlen vermengt.
    Beim Hinausgehen drehte sich Dale noch einmal um. “Du solltest etwas wissen, Allie”, sagte er.
    “Was?” Sie erwartete, dass er sie bitten würde, nicht zu hart über ihn zu urteilen, weil letztlich doch jeder einmal einen Fehler mache. Oder dass er sich bedanken würde, dass sie ihm bei seinem ersten Gespräch mit Evelyn geholfen hatte. Nie im Leben jedoch hätte sie mit dem gerechnet, was er tatsächlich sagte: “Ich glaube, Hendricks hat auf Clay geschossen.”
    Sie brauchte einen Moment, um den Satz zu verarbeiten. “Du willst mich auf den Arm nehmen, oder?”
    “Nein.”
    “Wie kommst du denn darauf?”
    “Ich habe gestern deine Pistole gefunden. Sie war in der Asservatenkammer versteckt. Es gibt kein Protokoll darüber, wie, wann und von wem sie abgegeben worden ist.”
    Die Asservatenkammer war normalerweise abgeschlossen, aber alle Beamten

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