Totgeglaubt
an. “Du machst Witze, oder?”
“Schön wär’s.”
“Mit Chief McCormick?” Er hatte die Stimme gesenkt, für den Fall, dass gerade jemand die Auffahrt hochkam.
“Sie
behauptet
, sie fährt alleine, aber wir wissen wohl beide, dass das höchst unwahrscheinlich ist.”
“All das würde nicht passieren, wenn sie hier bei mir leben würde.”
“Sie hat es hier nicht länger ausgehalten”, sagte Grace und verzog das Gesicht dabei. “Und ich weiß nicht, wie sie es überhaupt so lange ausgehalten hat. Oder wie du es hier aushältst.”
Auch Clay wäre nicht auf der Farm geblieben, hätte er die Wahl gehabt. Aber er fühlte sich verpflichtet, sich um seine Mutter und Schwestern zu kümmern, und das konnte er nur, indem er in ihrer Nähe blieb. “Es wäre bestimmt kein großer Spaß, sie die ganze Zeit hier zu haben, aber zumindest könnte ich sie besser aus Problemen raushalten.”
“Für euch beide ist es besser, wenn ihr alleine lebt.”
Grace hatte vielleicht recht. Sosehr sich Clay auch für das Wohl seiner Mutter verantwortlich fühlte: Er war sich nicht sicher, ob er es aushalten würde, wieder mit ihr zusammenzuleben. Zu sehr hatte er sich daran gewöhnt, alleine auf der Farm herumzuwurschteln. “Wie eist sich Chief McCormick eigentlich übers Wochenende von seiner Frau los?”
“Keine Ahnung. Wie schafft er das überhaupt?”
Clay schüttelte den Kopf. “Warum hört Mom einfach nicht auf mich?”
“Sicher will sie das … sie kann es nur einfach nicht.”
“Sie
kann
es nicht?”
“Ich könnte Kennedy auch nicht aufgeben, um nichts in der Welt.”
“Kennedy ist dein Ehemann. Aber Dale ist mit jemand anderem verheiratet.”
Grace glättete ihr Kleid. “Ich sage ja nicht, dass das, was Mom tut, richtig ist. Ich sage nur, dass sie noch nie in ihrem Leben so glücklich verliebt war. Und deshalb fällt es ihr so schwer, diese Liebe zu opfern.”
“Liebt sie ihn mehr, als sie unseren Vater geliebt hat?”
“Chief McCormick ist all das, was Dad nicht war. Zuverlässig, verantwortungsbewusst, bodenständig, solide.”
“Aber einen soliden Charakter hat er nicht gerade. Er betrügt seine Frau!”
“Das ist tatsächlich nicht gerade seine strahlendste Seite. Aber es ist in gewisser Weise nachvollziehbar. Mom ist etliche Jahre jünger und um einiges attraktiver als Evelyn. Sex ist auf einmal wieder … neu und aufregend für ihn. Und alles, was damit zu tun hat.”
“Tja, vielleicht hast du recht. In seinem Alter geht es sicher genauso sehr um Stolz und Selbstwertgefühl wie um Sex”, meinte Clay. “Dass er Mom erobert hat, bestärkt ihn in seiner Männlichkeit.”
“Und Mom hat endlich jemanden gefunden, der ihr das Gefühl gibt, sie sei etwas ganz Besonderes.”
“Aber all das hat keine Zukunft”, entgegnete Clay. “Denk an den Skandal, falls die Sache auffliegt.”
“Die Reaktionen werden sehr hart und streng sein”, stimmte Grace zu und zuckte bei dem Gedanken zusammen. “Mir tut das alles für Kennedy so leid. Manchmal frage ich mich, ob er geahnt hat, in was für eine Familie er da einheiratet.”
“Sag das nicht! Er soll froh sein, dass er dich bekommen hat.”
“Ich hoffe, das denkt er auch noch, wenn Moms Affäre ans Licht kommt.”
“Du klingst so, als wäre das unvermeidlich.”
“Du weißt doch selbst, wie schwer es ist, in dieser Stadt ein Geheimnis zu wahren.”
“Weiß Kennedy denn Bescheid?”
“Ja. Ich fand es nur fair, ihn zu warnen.” Sie stand auf und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Er wusste, dass sie es jetzt keine Minute länger auf der Farm aushalten würde.
“Danke, großer Bruder. Ich versuche, Mom ihren Wochenendtrip auszureden.”
“Viel Glück”, wünschte er, war aber nicht sehr optimistisch. Um seine Ermahnungen hatte sich Irene schließlich auch nicht geschert.
Auf der Treppe drehte Grace sich noch einmal um. “Übrigens hat sich Molly zur Geburt angekündigt.”
“Wie schön! Sie war seit Weihnachten nicht mehr hier.”
“Weißt du schon, dass sie einen neuen Freund hat?”
“Nein! Glaubst du, es ist was Ernstes?”
“Ich bezweifle es. Sie ist immer nur so lange an einem Mann interessiert, bis der ernste Absichten zeigt. Dann zieht sie weiter.” Sie grinste ihn an. “Frag mich nicht, woher sie das hat.”
“Von mir nicht”, beteuerte er.
“Wenn du meinst.” Sie grinste noch immer.
“Grace?”
Sie strich sich die losen Haarsträhnen aus dem Gesicht und blickte sich noch einmal
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