Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan
Namen Jake Drum.
»Keine große Sache. Anstatt nach Toronto zu fahren und dort eine Maschine nach Tel Aviv zu nehmen, fliege ich jetzt direkt vom Charles de Gaulle da runter.«
»Ist das Skelett so wichtig?«
»Es könnte eine Riesensensation sein.«
»Was hast du herausgefunden?«
Ryan wickelte meinen Burger halb aus und gab ihn mir. Ich nahm ihn in eine Hand und biss einmal ab.
»Meine Vermutung war korrekt«, sagte Jake. »Im November dreiundsechzig traf wirklich ein Skelett aus Masada im Musée de l’Homme ein. Ich konnte eine Exponatakte und eine Archivierungsnummer finden.«
»Erzähl weiter.«
»Was isst du gerade?«
»Whopper.«
»In einer Stadt wie Montreal ist Fast Food ein Sakrileg.«
»Aber schnell.«
»Der kulinarische Weg ins Verderben.«
Ich vermischte meine Todsünde mit einem Schluck Diet Coke.
»Sind die Knochen noch dort?«
»Nein.« Jake klang frustriert.
Ich biss noch einmal ab. Ketchup tropfte mir aufs Kinn. Ryan tupfte es mit einer Serviette weg.
»Ich habe eine Frau namens Marie-Nicole Varin aufgestöbert, die in den Siebzigern bei der Inventarisierung des Museumsbestands mitarbeitete. Varin erinnert sich, dabei auf ein Masada-Skelett gestoßen zu sein. Aber jetzt ist es nicht mehr im Museum. Wir haben überall gesucht.«
»Seit den Siebzigern hat es niemand mehr gesehen?«
»Nein.«
»Wird denn nicht der Verbleib jedes Exponats registriert?«
»Eigentlich schon. Aber dieser Teil der Akte fehlte.«
»Und wie lautet die Erklärung des Museums?«
» C’est la vie. Nur wenige der heutigen Angestellten waren damals schon dort. Varin hat die Inventur mit einem Doktoranden namens Yossi Lerner gemacht. Sie glaubt, dass Lerner noch immer in Paris ist. Und jetzt kommt das Interessante. Varin glaubt, das Lerner entweder Amerikaner oder Kanadier ist.«
Der Burger in meiner Hand stoppte auf halbem Weg zum Mund.
»Ich versuche, ihn aufzuspüren.«
»Bonne chance« , sagte ich.
»Da dürfte ich mehr als Glück brauchen.«
Ich erzählte Ryan, was Jake gesagt hatte.
Er hörte kommentarlos zu.
Wir aßen unsere Pommes auf.
Zurück auf der Van Horne, sahen wir einen Mann in langem schwarzem Rock, schwarzem Hut, schwarzer Bundhose und hellen Strümpfen an einem Jungen in Jeans und Blue-Jays-Jacke vorbeigehen.
»Der shabbat steht kurz bevor«, sagte ich.
»Dürfte die Herzlichkeit unseres Empfangs in diesen Kreisen nicht gerade erhöhen.«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Schon mal Überwachung gemacht?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Treibt den Puls ganz schön in die Höhe«, sagte Ryan.
»Das habe ich gehört«, sagte ich.
»Könnte ja sein, dass Miriam ausgeht.«
»Und Dora allein lässt.«
»Ich habe mit Dora allein noch nicht gesprochen.«
Wir hielten kurz an einem Blumenladen und waren dann knapp vierzig Minuten nach dem Verlassen des Ferris-Doppelhauses wieder dort.
Eine Stunde später kam Miriam aus Doras Tür.
9
Dora öffnete uns nach dem zweiten Läuten. Im hellen Sonnenlicht wirkte ihre runzlige Haut fast durchscheinend.
Ryan stellte uns noch einmal vor.
Die alte Frau schaute uns verständnislos an. Ich fragte mich, ob sie unter irgendwelchen Medikamenten stand.
Ryan hielt ihr seine Marke hin.
Dora schaute sie mit passivem Gesichtsausdruck an. Es war offensichtlich, dass sie nicht wusste, wer wir waren.
Ich hielt ihr die Blumen und die Plätzchen hin.
»Shabbat shalom« , sagte ich.
»Shabbat shalom« , erwiderte sie, eher ein Reflex als eine Begrüßung.
»Es tut uns sehr Leid wegen Ihrem Sohn, Mrs. Ferris. Ich war verreist, sonst hätte ich sie schon früher besucht.«
Dora nahm meine Geschenke an und bückte sich leicht, um an den Blumen zu riechen. Dann richtete sie sich wieder auf, inspizierte die Plätzchen und gab sie mir zurück.
»Es tut mir Leid, Miss. Die sind nicht koscher.«
Ich kam mir vor wie ein Idiot, als ich die Plätzchen in meine Tasche zurücksteckte.
Doras Blick wanderte zu Ryan, dann wieder zurück zu mir. Ihre Augen waren klein und feucht und altersstumpf.
»Sie waren bei der Autopsie meines Sohnes.« Ein leichter Akzent. Vielleicht osteuropäisch.
»Ja, Ma’am. Das war ich.«
»Es ist niemand da.«
»Wir würden gerne mit Ihnen reden, Mrs. Ferris.«
»Mit mir?« Überraschung. Und ein wenig Angst.
»Ja, Ma’am.«
»Miriam ist auf den Markt gegangen.«
»Es dauert nur einen Augenblick.«
Sie zögerte kurz, drehte sich dann um und führte uns durch eine mit Rauchglasspiegeln verkleidete Diele zu einer mit Plastik
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