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Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan

Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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drückte die Tür leise zu. Etwas an dieser Anlage verlangte Stille. Eine orangefarbene Tür rechts des Rundturms sah aus, als würde ich dort am ehesten Einlass finden. Ich ging eben darauf zu, als ein Mönch um die hintere Ecke des Spitzturmflügels herumkam. Er trug eine braune Kutte mit Kapuze, Socken und Sandalen.
    Der Mönch blieb nicht stehen, als er mich sah, sondern kam nur langsamer auf mich zu, so als würde er sich Zeit nehmen für die Vorbereitung auf diese Begegnung.
    Drei Meter vor mir blieb er stehen. Irgendwann in der Vergangenheit hatte er eine Verletzung erlitten. Seine linke Gesichtshälfte wirkte schlaff, das Augenlid hing herunter, und eine weiße Linie lief diagonal über die Wange.
    Der Mönch schaute mich an, sagte aber nichts. Seine Haare waren kurz geschoren, das Kinn war scharf und das Gesicht so hager wie eine muskuloskelettale Skizze.
    »Mein Name ist Dr. Temperance Brennan«, sagte ich. »Ich bin hier, weil ich mit Sylvain Morissonneau sprechen möchte.«
    Nichts.
    »Es ist ziemlich dringend.«
    Wieder nichts.
    Ich zeigte ihm meinen LSJML-Ausweis.
    Der Mönch warf einen kurzen Blick darauf, zeigte aber sonst keine Reaktion.
    Einen kühlen Empfang hatte ich erwartet. Ich griff in meine Schultertasche, zog einen verschlossenen Umschlag, in dem sich Kesslers Foto befand, heraus, trat einen Schritt vor und hielt ihn dem Mönch hin.
    »Bitte geben Sie das Vater Monssonneau. Ich bin mir sicher, dass er mich dann empfangen wird.«
    Eine knochendürre Hand kam aus der Kutte, nahm den Umschlag und bedeutete mir dann mit einem knappen Winken, dass ich folgen sollte.
    Der Mönch führte mich durch die orangefarbene Tür, durch eine kleine Vorhalle und dann einen aufwändig getäfelten Gang entlang. Die Luft roch wie die Montagvormittage in den katholischen Schulen meiner Kindheit. Eine Mischung aus feuchter Wolle, Desinfektionsmittel und Holzpolitur.
    Wir betraten eine Bibliothek, und mein Gastgeber bedeutete mir, dass ich Platz nehmen sollte. Eine leicht nach unten gedrückte ausgestreckte Hand bedeutete, dass ich hier bleiben sollte.
    Als der Mönch verschwunden war, betrachtete ich meine Umgebung.
    Die Bibliothek sah aus wie aus einem Harry-Potter-Film. Dunkle Holztäfelung, Bücherschränke mit bleiverglasten Türen, Rollleitern, die bis zu den obersten Regalen im dritten Stock hinaufreichten. Hier war genug Holz verwendet worden, um ganz British Columbia zu entwalden.
    Ich zählte acht lange Tische und zwölf Karteikästen mit winzigen Messinggriffen an den Schubern. Nirgendwo war ein Computer zu sehen.
    Ich hörte den zweiten Mönch nicht eintreten.
    »Dr. Brennan?«
    Ich stand auf.
    Dieser Mönch trug einen weißen Chorrock und darüber einen brauen Überwurf aus rechteckigen Front- und Rückenpartien. Keine Kutte.
    »Ich bin Vater Sylvain Morissonneau, der Abt dieser Gemeinschaft.«
    »Es tut mir Leid, dass ich so unangekündigt hereinplatze.« Ich streckte die Hand aus.
    Morissonneau lächelte, behielt aber seine Hände unter dem Überwurf. Er wirkte älter, aber besser genährt als der erste Mönch.
    »Sie sind von der Polizei?«
    »Vom gerichtsmedizinischen Institut in Montreal.«
    »Bitte.« Morissonneau machte mit der Hand eine Geste, die mit der seines Kollegen identisch war. »Folgen Sie mir.« Englisch, mit einem starken québécois Akzent.
    Morissonneau führte mich den Hauptkorridor wieder hinunter, dann über einen weiten, offenen Platz und schließlich einen langen, schmalen Gang entlang. Nachdem wir an ungefähr einem Dutzend geschlossener Türen vorbeigegangen waren, betraten wir einen Raum, der aussah wie ein Büro.
    Morissonneau schloss die Tür und deutete noch einmal.
    Ich setzte mich.
    Verglichen mit der Bibliothek, war dieser Raum spartanisch. Weiße Wände. Grauer Fliesenboden. Schlichter Eichenschreibtisch. Standard-Aktenschränke aus Metall. Der einzige Schmuck waren ein Kruzifix hinter dem Schreibtisch und ein Gemälde über einem der Aktenschränke. Jesus im Gespräch mit Engeln. Wobei dieser deutlich fitter aussah als die geschnitzte Holzversion hinter dem Schreibtisch.
    Ich schaute von der Leinwand zum Kreuz. Eine Redensart schoss mir durch den Kopf. Vorher und Nachher. Doch bei dem Gedanken hatte ich sofort das Gefühl, mich versündigt zu haben.
    Morissonneau setzte sich auf den Schreibtischstuhl mit gerader Lehne, legte meine Fotokopie auf die Schreibunterlage, verschränkte die Finger und schaute mich an.
    Ich wartete.
    Er wartete.
    Ich wartete noch etwas

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