Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan
Schwarzer September. Drei wurden gefangen genommen. Gut einen Monat später wurde eine Lufthansa-Maschine von anderen Terroristen entführt, die die Freilassung der Mörder von München forderten. Die Deutschen erfüllten ihre Forderungen. Das war 1972, Dr. Brennan. Ich sah mir damals die Berichterstattung an und wusste, das ist erst der Anfang. Das alles passierte ein Jahr, bevor Yossi das Skelett stahl und es Avram gab.
Ich bin ein toleranter Mensch. Ich habe die höchste Wertschätzung für meine islamischen Brüder. Moslems sind im Allgemeinen hart arbeitende, familienorientierte, friedliebende Menschen, die nach denselben Werten leben, die auch Sie und ich hochhalten. Aber unter diesen Guten gibt es eine böswillige Minderheit, die angetrieben wird von Hass und nichts als Zerstörung im Sinn hat.«
»Die Jihadisten.«
»Kennen Sie sich mit dem Wahhabismus aus, Dr. Brennan?«
Das tat ich nicht.
»Der Wahhabismus ist eine strenge Form des Islam, der vor allem auf der arabischen Halbinsel blühte. Seit über zwei Jahrhunderten ist er in Saudi-Arabien die bestimmende Glaubensrichtung.«
»Was unterscheidet den Wahhabismus von der Hauptrichtung des Islam?«
»Das Beharren auf einer wörtlichen Interpretation des Koran.«
»Klingt wie der gute, alte christliche Fundamentalismus.«
»In vielerlei Hinsicht sind sich die beiden auch ähnlich. Aber der Wahhabismus geht viel weiter, denn er propagiert die völlige Ablehnung und Vernichtung von allem, was nicht auf den ursprünglichen Lehren Mohammeds basiert. Das explosive Wachstum der Sekte begann in den Siebzigern, als saudische Wohltätigkeitsorganisationen anfingen, wahhabitische Moscheen und Schulen, so genannte Madrassen, zu finanzieren, und zwar weltweit von Islamabad bis Culver City.«
»Ist die Bewegung wirklich so schlimm?«
»War Afghanistan unter den Taliban wirklich so schlimm?«
Morissonneau ließ mich nicht zu Wort kommen.
»Wahhabiten sind nicht einfach nur am Geist und der Seele eines Menschen interessiert. Die Sekte hat sehr ehrgeizige politische Ziele, bei denen es vor allem um die Ersetzung säkularer Führungen durch eine fundamentalistisch religiöse Regierungsgruppe oder -person in jedem muslimischen Land auf diesem Planeten geht.«
Chauvinistische Paranoia? Ich behielt meine Zweifel für mich.
»Wahhabiten infiltrieren Regierungen und Armeen in der gesamten muslimischen Welt und positionieren sich dabei so, dass sie die säkularen Führer irgendwann entweder vertreiben oder umbringen können.«
»Glauben Sie das wirklich?«
»Schauen Sie sich die Zerstörung des modernen Libanon an, die zur Besetzung durch die Syrer führte. Schauen Sie sich Ägypten und den Mord an Anwar Sadat an. Schauen Sie sich die Mordversuche an Mubarak in Ägypten, Hussein in Jordanien, Musharraf in Pakistan an.«
Wieder hob Morissonneau die Hand und deutet mit dem Zeigefinger auf mich. Jetzt zitterte seine Hand.
»Osama bin Laden ist ein Wahhabit, wie auch die Mitglieder seines Teams vom elften September. Diese Fanatiker betreiben, was sie den Dritten Großen Jihad, den Heiligen Krieg, nennen, und alles, wirklich alles ist erlaubt, was ihrer Sache nützt.«
Morissonneau ließ die Hand auf die Kiste sinken. Ich merkte, worauf er hinaus wollte.
»Auch die Knochen Jesu Christi«, sagte ich.
»Sogar die angeblichen Knochen Jesu Christi. Diese Verrückten würden ihre Macht benutzen, um die Presse zu manipulieren und die Angelegenheit so weit verdrehen und verzerren, bis sie ihren Zwecken nützt. Ein Medienzirkus über die Authentifizierung der Knochen Jesu würde den Glauben von Millionen beschädigen und diesen Jihadisten Mittel und Wege eröffnen, um die Grundtesten der Kirche zu untergraben, die mein Leben ist. Wenn ich eine solche Perversion verhindern kann, fühle ich mich verpflichtet, es auch zu tun.
Der Hauptgrund, warum ich diese Knochen an mich nahm, war mein Bestreben, meine geliebte Kirche zu schützen. Die Angst vor dem islamischen Extremismus war damals noch zweitrangig. Aber im Lauf der Jahre wuchs diese Angst.«
Morissonneau zog Luft durch die Nase ein und lehnte sich zurück.
»Sie wurde der Grund, warum ich sie behielt.«
»Wo?«
»Das Kloster hat eine Krypta. Das Christentum verbietet eine Bestattung unter den Lebenden nicht.«
»Fühlten Sie sich nicht verpflichtet, das Museum davon in Kenntnis zu setzten?«
»Missverstehen Sie mich nicht, Dr. Brennan. Ich bin ein Mann Gottes. Moral bedeutet mir sehr viel. Das war nicht einfach
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