Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan
plötzlich über vierzig Grad Fieber bekam, und an die überstürzte Fahrt mit Pete ins Krankenhaus. Plötzlich fehlte mir meine Tochter sehr.
»Woher hast du eigentlich gewusst, dass wir hier sind?«, fragte ich, um mich wieder in die Gegenwart zurückzuholen.
»Schenck gehört zur Abteilung Schwerverbrechen. Er wusste, dass Friedman Kaplan bearbeitet und dass ich mit einer amerikanischen Anthropologin nach Israel gekommen bin. Schenck hat einfach nur eins und eins zusammengezählt und Friedman angerufen.«
»Irgendwas Neues von dieser Front?«
»Kaplan bestreitet, die Halskette gestohlen zu haben.«
»Das ist alles?«
»Nicht ganz.«
24
»Wie’s aussieht, kennen sich der Beschuldigte, Kaplan also, und der Geschädigte, sprich Litvak, schon eine ziemlich lange Zeit.«
»Kaplan ist ein Freund des Ladenbesitzers, den er ausgeraubt hat?«
»Ein entfernter Cousin und gelegentlicher Lieferant. Litvak versorgt Kaplan hin und wieder mit – wie nannte Litvak es? – Kuriositäten.«
»Litvak handelt mit Antiquitäten?«
Ryan nickte.
»Illegal?«
»Natürlich nicht.«
»Natürlich nicht.«
»Litvak und Kaplan hatten vor dem Verschwinden der Halskette einen Streit.«
»Einen Streit worüber?«
»Kaplan hat etwas versprochen, es dann aber nicht geliefert. Litvak war sauer. Man redete sich in Rage. Kaplan stürmte hinaus.«
»Und steckte unterwegs die Halskette ein.«
Ryan nickte. »Litvak war so sauer, dass er die Polizei rief.«
»Im Ernst?«
»Litvak ist nicht gerade der Allerhellste. Und ein kleiner Hitzkopf.«
Das Kleinkind brüllte sich inzwischen die Seele aus dem Leib. Die Frau strich ihm über den Rücken und ging zur Tür.
Wir lächelten sie an, bis sie an uns vorbei war.
»Was hätte Kaplan Litvak denn liefern sollen?«, fragte ich, als Mutter und Kind außer Hörweite waren.
»Eine Kuriosität.«
Ich verdrehte die Augen. Es tat weh.
Ryan klappte seine Brille zusammen und steckte sie in die Brusttasche. Dann lehnte er sich zurück, streckte die Beine aus und faltete die Hände vor dem Bauch.
»Ein ää-chte Masada-Reliquie.«
Ich wollte eben etwas Intelligentes wie »Ach wirklich!« sagen, als die Aufnahmeschwester den Warteraum betrat und auf uns zukam.
Ryan und ich standen auf.
»Mr. Drum hat eine leichte Gehirnerschütterung erlitten. Dr. Epstein hat beschlossen, ihn über Nacht hier zu behalten.«
»Sie nehmen ihn stationär auf?«
»Nur zur Beobachtung. Das ist so üblich. Abgesehen von Kopfschmerzen und einer leichten Gereiztheit, sollte Mr. Drum in ein oder zwei Tagen wieder ganz in Ordnung sein.«
»Wann können wir ihn sehen?«
»Es wird noch eine Stunde oder zwei dauern, bis wir ihn auf die Station verlegt haben.«
Als die Schwester gegangen war, drehte Ryan sich zu mir um.
»Wie wär’s mit Mittagessen?«
»Gute Idee.«
»Wie wär’s mit Mittagessen mit viel Alkohol und dann Sex?«
»Du bist ein gerissener Verführer.«
Ryans Gesicht hellte sich auf.
»Aber: nein.«
Jetzt wurde sein Gesicht lang.
»Ich muss Jake erzählen, was ich in diesem Grab entdeckt habe.«
Zwei Stunden später saßen wir in Jakes Zimmer. Der Patient trug einen dieser am Hals zu bindenden Kittel, der schon viel zu viel Bleiche gesehen hatte. In seinem rechten Arm steckte ein Infusionsschlauch. Seine linker Handrücken lag auf seiner Stirn.
»Es ging nicht um das Grab«, blaffte Jake, dessen Gesicht noch bleicher war als der Kittel.
»Warum dann diese Demonstration?«
»Die Hevrat Kadisha hatten es auf dich abgesehen!«
Die Schwester hatte mehr als Recht gehabt mit der Gereiztheit.
»Auf mich?«
»Sie wissen, dass du in Israel bist.«
»Woher denn?«
»Du hast die IAA angerufen.«
»Nicht mehr, seitdem ich hier bin.«
»Du hast dich von Montreal aus mit Tovya Blotnik in Verbindung gesetzt.« Jake bellte wie einer, dem man es zutrauen würde, den eigenen Nachwuchs zu fressen.
»Ja, aber …«
»Die Telefone der IAA sind verwanzt.«
»Von wem?« Ich glaubte das alles einfach nicht.
»Den Ultra-Orthodoxen.«
»Die glauben, dass du ein Kind des Teufels bist«, warf Ryan dazwischen.
Ich warf ihm einen Blick zu, der besagte, dass ich das nicht witzig fand.
Jake ignorierte das Intermezzo.
»Diese Leute sind wahnsinnig«, fuhr er fort. »Sie werfen Steine, damit die Leute am Samstag nicht Auto fahren können. Sie kleben Plakate, auf denen Archäologen namentlich verflucht werden. Ich kriege immer wieder mitten in der Nacht Anrufe, aufgezeichnete Botschaften, in denen man
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