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Totgekuesste leben laenger

Totgekuesste leben laenger

Titel: Totgekuesste leben laenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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eine Gunst. Ich will wieder so sein, wie ich war. Ich bin unvollkommen.« Das schöne Gesicht von Tränen benetzt, sah sie auf »Ich spüre Furcht,Seraph.«
    »Das ist keine Unvollkommenheit, Nakita«, entgegnete der Seraph sanft. »Es ist ein Geschenk. Freue dich an deiner Furcht.«
    Als er sich mir zuwandte, war mein Mund wie ausgetrocknet. »Ich bin nicht die schwarze Zeitwächterin«, plapperte ich drauflos und hielt Nakita ihr Schwert so lange hin, bis sie es mir endlich abnahm. »Ich kann das nicht machen! Ich weiß doch gar nichts!« »Du wirst alles lernen. Mit der Zeit«, antwortete der Seraph. In seiner Stimme schwang sarkastische Belustigung mit. »Bis dahin sorge ich dafür, dass alles so läuft, wie es soll. Du solltest aber nicht zu lange dafür brauchen, meine Stimme wird im Chor bereits vermisst.«
    »Aber ich glaube nicht an das Schicksal!«, rief ich. Mein Blick wanderte zu Ron hinüber; was den freien Willen anging, hatte ich mittlerweile auch so meine Zweifel.
    »An das Schicksal zu glauben, ist keine Bedingung«, fuhr die melodische Stimme fort. Der Seraph schien die ganze Welt auszufüllen, obwohl er nicht viel größer war als ich. »Kairos hat es auch nicht getan. Wie man sieht.« Ich atmete auf, als er den Blick von mir abwandte und stattdessen Ron ansah. »Du aber tust es. Auch wenn du etwas anderes behauptest.« Ron rührte sich nicht, bis der Seraph wieder wegsah, dann sackte er erleichtert in sich zusammen. »Aber ich will den Job gar nicht haben!«, erwiderte ich, außer mir darüber, dass es überhaupt nicht zählte, was ich wollte. »Bitte, kann ich nicht einfach meinen Körper wiederhaben und so weitermachen wie vorher?«
    Der Seraph blinzelte. Er wirkte entsetzt - wenn man das überhaupt sagen konnte über so was wie einen Gott. »Du willst nicht?«, fragte er. Ron schnellte einen Schritt vor, wie um dagegen zu protestieren. »Nein!«, antwortete ich. Hoffnung stieg in mir auf. »Ich will einfach nur ich selbst sein.« Hastig zog ich mir den Stein vom Hals, nahm allen Mut zusammen, stürzte nach vorn und legte das Amulett in die Hände des Seraphen. Das Herz hämmerte mir wieder in der Brust und ich trat zurück, peinlich berührt, dass ich es nicht unter Kontrolle hatte. Ich fragte mich, ob ich irgendeine Regel gebrochen hatte, indem ich ihm so nahe gekommen war. Ich konnte ihm nicht ins Gesicht sehen. Es tat weh.
    Der Seraph betrachtete das Amulett in seinen leuchtenden Händen, als wäre es ein Schatz. Der Stein strahlte in unendlichem Schwarz, die Silberdrähte glühten nun golden. »Du bist schon du selbst.« »Bitte«, wiederholte ich mit einem Blick zu Kairos, der tot und vergessen auf den Marmorfliesen lag. »Kannst du mich nicht wieder so machen, wie ich war, und mich in meinen Körper zurückversetzen?«
    Hoffnung stieg in mir auf, als der Seraph so strahlend lächelte, dass ich die Augen zukneifen musste. »Wenn das deine Wahl ist«, sagte er, seine Stimme klang unerwartet humorvoll. »Wo ist er?«
    Mein begeisteter Ausruf blieb mir im Hals stecken. »Kairos hatte ihn zuletzt«, sagte ich bestürzt. Ich sah erst zu Nakita, dann zu Ron, der sich still im Hintergrund hielt. Von ihm konnte ich mir keine Hilfe erwarten. Ich wandte mich wieder dem Seraphen zu. »Er muss im Haus sein«, sagte ich und drehte mich in diese Richtung. Ohne das Amulett fühlte ich mich nackt.
    »Dann wäre er jetzt schon lange verwest«, warf Ron ein.
    Entsetzen ergriff mich, dann Angst. Hatte Kairos meinen Körper verwesen lassen? War alles umsonst gewesen?
    »Er hat recht«, bestätigte der Seraph. »Dein körperliches Ich ist nicht hier auf Erden.«
    Schwankend ging ich zu dem Tisch hinüber und ließ mich schwer auf einen Stuhl fallen. Meine Beine hielten mich einfach nicht mehr. Ich stützte mich mit den Ellbogen auf die Kacheln und warf dabei Kairos' Glas um. Hektisch stellte ich es wieder auf und fragte mich, warum ich das tat. Keiner wird es austrinken. Es gehört einem Toten.
    »Kairos hat gesagt, er ist in der Nähe«, flüsterte ich wie gelähmt. Wo war mein Körper, wenn nicht auf der Erde?
    Plötzlich war die Sonne verschwunden. Als ich aufsah, saß der Seraph mir gegenüber, was mich zugleich lähmte und zappelig machte. »Dein Körper befindet sich mit großer Sicherheit irgendwo zwischen dem, was ist und dem, was sein wird.«
    Mein Herz fühlte sich an wie Asche. Ich blinzelte und versuchte, die Gesichtszüge des Engels zu erkennen. Aber in seinen Worten hatte Hoffnung mitgeklungen.

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