Totgelebt (German Edition)
hatte ihm auch ein paar Namen am Telefon genannt. Vielleicht hatte er ja Glück. Doch er hatte kein Glück, er sprach mit drei Professoren, zwei von ihnen konnten sich nur sehr vage an Lotte erinnern. Lotte stach nicht aus der durchschnittlichen Studentenmenge hervor. Sie glänzte nicht durch übermäßige Leistung oder überdurchschnittliches Interesse und sah auch nicht auffallend gut aus. Sie war eher Mittelmaß und blieb deshalb nicht im Gedächtnis der Professoren. Der dritte Professor konnte sich zumindest an Lotte erinnern, sie hatte einige Seminare bei ihm besucht und auch einige Scheine gemacht. Sie war ein paar Mal in seiner Sprechstunde gewesen und besuchte eine Übungsgruppe, die sein wissenschaftlicher Mitarb eiter zu seinem Seminar leitete . Das wusste er genau. Leider war sein Mitarbeiter erst wieder am Montag zu erreichen, da er im Rahmen eines Symposiums unterwegs war.
Paula und Max trafen sich im Präsidium, um den anderen jeweils kurz und knapp über die Geschehnisse des Tages zu informieren. Jeder fasste schnell seine Ergebnisse zusammen. Vorab hatte Paula schon Max Bericht gelesen, den er auf ihrem Schreibtisch hinterlassen hatte. Paula hatte den Drucker der Familie Jansen zum Schriftenvergleich zur Spurensicherung gegeben. Vor Montag waren dort allerdings keine Ergebnisse mehr zu erwarten, die meisten Kollegen hatten sich bereits ins Wochenende verabschiedet. Sie fragte sich, welche Konsequenz es hätte, wenn das Bibelzitat nicht auf dem Drucker von Lotte Jansen gedruckt worden war. Lotte hatte zwar einige Möglichkeiten, ein paar Worte auszudrucken, zum Beispiel in der Uni. Trotzdem würde dadurch auch das aktive Handeln einer zweiten Person immer wahrscheinlicher. Lotte hatte Selbstmord begangen, das war sicher und stand außer Frage. Sie ermittelten nicht in einem Mordfall. Trotzdem war es ganz entscheidend, wer bei dem Selbstmord dabei war und vor allem, wie er sich bei dem Suizid verhalten hatte. Die aktive Hilfestellung beim Suizid sowie die unterlassene Hilfeleistung musste strafrechtlich verfolgt werden. Schon allein der Verdacht massiver, psychischer Beeinflussung würden weitere Ermittlungen erfordern.
Johanna betrat das Büro von Paula und Max. Paula bat sie, sich um die Waffe de s Mädchens zu kümmern. Paula reichte ihr ein Blatt mit den bisherigen Informationen zur Waffe.
„Wir müssen alles über diese Waffe herausbekommen. Alles was wir bis jetzt wissen ist, dass es sich um eine Walther, Kaliber 9 mm, handelt. Eine typische Selbstverteidigungswaffe. Nichts Spektakuläres. Wäre trotzdem klasse, wenn du noch ein bisschen mehr herausbekommen könntest. Vermutlich ist sie im Moment unser einziger richtiger Anhaltspunkt“, sagte sie dazu.
„Wird gemacht. Ich setze das Montag früh direkt ganz oben auf meine Prioritätenliste, versprochen.“, sagte Johanna und setzte ein winziges, kaum wahrnehmbares Zwinkern hinzu, das nur alleine für Paula bestimmt war. Paula schluckte und versuchte, nicht rot zu werden. Zu spät, Max hatte sowohl das dezente Zwinkern als auch das darauf folgende Erröten registriert.
Als Johanna den Raum verlassen hatte, flüsterte Max „Was geht denn da eigentlich vor sich? Du hast bei ihr ja mehr Chancen als ich.“
Paula warf ihm einen vernichtenden Blick zu und versuchte schnell wieder zum Thema zurückzukehren. „Vielleicht wollte sie mit ihrem Freund gemeinsam Selbstmord begehen. Vielleicht sollte sie anfangen, dann wollte ihr Freund es nachmachen, hat dann aber plötzlich Angst bekommen, als er sie so in ihrem Blut hat liegen sehen und er hat sich nicht mehr getraut. “, Max nahm den Faden wieder auf, „ Das wäre eine Möglichkeit, oder? “
„Ich weiß nicht, die Fußspuren deuten nicht auf jemanden hin, der in Panik war, offenbar stand der Kerl seelenruhig dem Mädchen gegenüber und hat zugeschaut, wie sie sich selbst erschossen hat. Das war eine ganz ruhige Reaktion, keine Anzeichen von Panik oder Angst davor, sich selbst umzubringen. Außerdem hätte er in Panik vielleicht Lotte noch angefasst, hätte versucht, ihr zu helfen, hätte getrauert oder so. An ihr selbst sind keinerlei Spuren zu finden , keine Fasern, kein Sperma, keine Fingerabdrücke, nichts. Der Kerl hat wirklich nur da gestanden und sich das ganze Spiel angeschaut. Warum tut ein Mensch so etwas? Was können die Beweggründe sein? Hat sie ihn gebeten, dabei zu sein. Wollte sie nicht alleine sterben? Hatte sie Angst, im Tode allein zu sein? Aber auch dann würde
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