Totgelebt (German Edition)
fiel, wie so oft, auf, dass Anne eine besondere Bindung zu Max hatte. Sie mochte Max auch sehr, sah in ihm so etwas wie einen Kumpel, sprach aber nie viel mit ihm über wirklich tiefe Gefühle, Gedanken und Belange. Sie dachte sich, dass auch ohne große Worte zwischen ihnen alles klar war. Aber Max und Anne konnten stundenlang reden, wirklich reden, über wichtige, einzigartige, bewegende Dinge. Dinge, die Max sicherlich nicht jedem erzählen würde. Max sah in Anne vielleicht so etwas wie eine Schwester. Paula fühlte sich ausgegrenzt. Der Alkohol tat sein übrigens. Ihre Laune verschlechterte sich. Anne sollte mal mit ihr so reden, ihr alle Geheimnisse anvertrauen, ihre intimen Wünsche und Träume. So wie früher. Sie saß hier mit zwei Menschen, die ihr unglaublich viel bedeuteten und fühlte sich ausgegrenzt, nicht zugehörig. Mein Gott, du bist eifersüchtig auf deinen Partner und deine Freundin, das wird ja immer besser. Trotzdem hatte sie schlechte Laune. Also goss sie sich noch ein weiteres Glas Rotwein ein, ohne die anderen beiden zu fragen, ob sie auch noch etwas von dem Wein haben möchten. Sie erntete erneut einen missfallenden Blick von ihrer Freundin. Anne unternahm einige zaghafte Versuche, Paula wieder in das Gespräch zu integrieren, doch Paula blieb mürrisch. Anne kannte ihr Freundin zu gut, aus dieser Stimmung gelangte sie nur von allein wieder heraus, am besten gar nicht ansprechen, schien auf Paulas Stirn zu stehen. Max hingegen schien von Paulas Missstimmung gar nichts mitzubekommen. Er sah in Anne ein willkommenes Opfer, um seinen Frust in Bezug auf Frauen abzuladen. Es war schon ziemlich spät, als Max sich leicht schwankend vom Sofa erhob und verkündete, dass er sich nun mal auf den Weg nach Hause machen würde. Er wollte laufen, das würde für einen klaren Kopf sorgen. Paula und Anne begleiteten ihn zur Tür. Paula war weiterhin sehr einsilbig. Sie fühlte sich allein und deprimiert. Zugleich ärgerte sie sich über sich selbst, diesen Abend hast du dir mal wieder selbst verhagelt, dachte sie. Max nahm sie kurz in den Arm, küsste sie auf die Wange und flüsterte ihr ins Ohr „Schlaf gut, Kleines. Und mach dir nicht so viele Gedanken um dieses junge Mädchen. Das hat Zeit bis Montag. Kümmere dich stattdessen mal um deine Frau.“ Er grinste sie dabei frech an. Dann nahm er Anne zum Abschied in den Arm und polterte die Treppe hinunter. Paula rechnete fest damit, dass er die Treppe herunter fallen würde und sie Montag alleine im Büro sitzen würde, da ihr Kollege mit einem Arm- oder Beinbruch im Krankenhaus liegen würde. Doch Max verließ ohne größere Blessuren das Haus, sie hörte die Haustüre zufallen.
„Weißt du was, Süße, du stehst dir selbst ständig im Weg. Es war ein so netter Abend und du versinkst wieder mal in deiner eigenen dunklen Welt mit trüben Gedanken, verschließt dich vor allem und jedem. Ich verstehe dich manchmal nicht. Was ist denn los?“, Anne stand fragend vor Paula und versuchte ihrer Freundin in die Augen zu sehen, darin zu lesen. Doch Paula wich ihrem Blick aus. Anne berührte sie kurz, ganz kurz. Paula überlegt, ob sie sich die Berührung nur eingebildet hatte. Doch es war keine Einbildung. Sie merkte, wie sie sich körperlich nach Anne sehnte, wie sie diese Berührung herbeisehnte. Sie wünschte sich ganz einfach die alten Zeiten zurück, in denen sie Spaß hatten, wo sie albern miteinander kichern konnten, wo sie voneinander nicht genug bekommen konnten, wo sie sich fast täglich liebten, wo Paula sich sicher und geborgen bei Anne gefühlt hatte. Es war ihnen schwer gefallen, die Finger in Gegenwart anderer voneinander zulassen und nun war alles so anders. Nun fühlte sie sich in Annes Gegenwart oft gehemmt, ungeschickt und allein. Anne hatte sich inzwischen schon längst umgedreht und brachte die Weingläser und die Flaschen in die Küche. Paula folgte ihr. Sie stellte sich hinter Anne, zögerte eine Sekunde und küsste sie zart in den Nacken. Ihre Lippen berührten fast unmerklich Annes Haut, doch sie nahm Annes Duft sofort in sich auf. Sie fühlte Annes weiche, fein e Haare im Nacken. Sie legte i hre Arme um Annes Hüften und zog sie ein bisschen an sich. Sie genoss das aufkommende, vertraute Gefühl der Wärme, das sie umgab. Der Geborgenheit. Dann ließ sie ihre Hände fallen und sagte, dass sie ins Bett gehen würde. Anne folgte ihr kurze Zeit später. Sie drehte sich noch einmal zu Paula rum, schaute sie an, küsste sie auf die Wange
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