Totgelesen (German Edition)
Hosentasche.
»Ach ja? Wichtig? Wichtig wäre für jemanden wie Herrn Auer sich auszuruhen oder, noch besser, aufzuhören zu rauchen und eine bessere Ernährung, das wäre wichtig. Ein Gespräch mit Ihnen ist es für ihn sicher nicht.« Er knallte seine Patientenakte auf den Schreibtisch und funkelte Monika zornig an.
»Das heißt also, ich kann zu ihm und mich mit ihm unterhalten?«, sie ignorierte seinen Gesünder-leben-Vortrag. »Wenn ie mir nun noch die Zimmernummer von Herrn Auer sagen könnten ...«
Mehr als die Zimmernummer wollte Monika aus der Antwort des Arztes nicht verstehen. Sie fischte eine Ein-Euro-Münze aus ihrer Tasche, warf sie auf den Schreibtisch des Arztes und meinte: »Vielleicht hilft ein Kaffee, ich lad sie ein.«
Sie verließ den frustrierten und verdutzt dreinschauenden Mediziner und marschierte los.
Das Krankenhauszimmer sah austauschbar aus. Es hätte sich auch in Wien, München oder Berlin befinden können und war genauso vollgestopft mit Überwachungs- und Wiederbelebungsgeräten wie jedes andere Krankenhauszimmer. Im linken Bett lag ein älterer, weißhaariger Mann und starrte an die Decke. Das rechte Bett war leer. Monika musste erneut an ihre Großmutter denken, aber hier war kein Platz für Sentimentalität.
»Guten Tag, Herr Auer! Mein Name ist Monika Mühlbacher vom Landeskriminalamt. Geht es Ihnen gut genug, um mit mir über den gestrigen Vorfall am See zu sprechen?«
»Danke der Nachfrage, gesundheitlich geht es mir - laut Aussage meines Arztes - wieder gut, aber …«, seine Stimme klang leise und zerbrechlich. Monika konnte nicht anders, sie nahm seine Hand und umschloss sie mit der ihren.
Sogleich umspielte ein dankbares Lächeln seine Mundwinkel. Dass er sonst gerne lachte, sah man seinem Gesicht an, auch wenn es heute eingefallen und bleich wirkte. »Wissen Sie, gestern bin ich früher als sonst dran gewesen. Rugby wollte einfach nicht warten, bis ich die Zeitung fertiggelesen hatte, deshalb sind wir früher zum See gefahren.« Er unterbrach seinen Bericht, um sich nach dem Befinden seines Hundes zu erkundigen. Nachdem ihm Monika leider nichts über dessen Verbleib sagen konnte, fuhr er fort: »Sie müssen wissen, Rugby war noch nie von mir getrennt. Wenn man älter wird, hat man ja auch nicht mehr so viel zu tun und so ein Hund hält einen am Leben, zumindest dachte ich das.« In den alten, grauen Augen glitzerten Tränen.
»Ihrem Hund geht es sicher gut, davon bin ich überzeugt.« Monika schenkte dem Mann ein aufmunterndes Lächeln, bevor sie einen erneuten Befragungsversuch startete.
»Darf ich Sie bitten, sich kurz an den gestrigen Tag zu erinnern und mir möglichst genau zu sagen, was passiert ist, als Sie an den See kamen?«
»Ich habe mein Auto beim kleinen Pavillon geparkt. Wir sind ausgestiegen und Rugby ist runtergelaufen, um die Enten zu verscheuchen. Ich bin ihm nach, da habe ich die beiden gesehen.« Er schloss die Augen, als ob er dadurch die Erinnerung aus seinem Gedächtnis aussperren könnte. Als er sie wieder öffnete, sagte er: »Ach Gott, keine Ahnung, warum sie sich nicht gewehrt hat. Nicht einmal geschrien hat sie. Er hat sie gepackt und in den See geworfen, dann ist er weggerannt. Schaurig. Ich bin schnell ans Ufer runter, um ihr zu helfen, aber sie ist untergegangen wie ein Stein. Daraufhin bin ich zu meinem Auto und habe mit dem Handy den Notruf gewählt.«
Der Mann deutete zu seinem Nachttisch, auf dem ein Mobiltelefon lag. »Ich war mir gar nicht sicher, ob ich mit dem Ding überhaupt umgehen kann. Meine Jungs haben es mir zu Weihnachten geschenkt. Was soll man einem alten Knacker wie mir auch sonst schenken. Ich habe noch gefragt, wozu ich jemals so ein Ding brauchen sollte. Aber gestern …«
Seine Augen füllten sich erneut mit Tränen, seine Stimme stockte.
»Sie sagten »er«. Sind sie sicher, dass der Täter ein Mann war?«
Aufgrund der Schuhgröße waren sie bereits davon ausgegangen, dennoch half die Bestätigung, die der Augenzeuge nun lieferte.
»Wo genau hat er sie von der Brücke geworfen?«
Herr Auer hustete, das Sprechen fiel ihm schwer, die Erinnerung anscheinend noch mehr.
»Sie waren ziemlich weit oben.«
Um den alten Mann etwas abzulenken, fragte Monika, um welche Zeit er angekommen sei.
»Als ich aus dem Auto ausstieg, waren die Acht-Uhr-Nachrichten vorüber, deshalb bin ich auch so weit gefahren. Normalerweise parke ich nämlich beim Kinderspielplatz, doch gestern wollte ich die Nachrichten fertighören
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