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Totgelesen (German Edition)

Totgelesen (German Edition)

Titel: Totgelesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Rieger
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Strafzettel überstanden hatte. Anschließend öffnete er die Autotür, um der inzwischen gänzlich beunruhigten Frau den Beifahrersitz anzubieten.
    »Bitte sagen Sie mir endlich, was passiert ist! Bis nach Hause halte ich diese Ungewissheit nicht aus.«
    Specht schloss hinter ihr die Tür und begab sich auf die Fahrerseite. Bevor er einstieg, verharrte er ein paar Sekunden vor dem geschlossenen Auto. Nach dieser Gnadenfrist ließ er sich auf den Fahrersitz fallen und begann, so schonend wie möglich, vom Tod ihrer Tochter zu berichten.
    »Wie kommen Sie dazu, hier aufzutauchen und solche Lügen zu erzählen?« Die Frau öffnete die Wagentür und machte sich bereit, wieder auszusteigen, doch Specht hielt sie am Arm fest.
    »Bitte, fahren Sie mit mir nach Hause! Ihre Enkel brauchen Sie jetzt.«
    Die Frau schloss ohne Widerrede die Tür und sah Specht an. »Sie ist nicht tot! Sie lügen mich an! Welches kranke Spiel spielen Sie mit mir?« Ein hilfloser Versuch ohne Überzeugung, das Gehörte zu verdrängen.
    Damit sie nicht doch noch ausstieg, startete Specht den Wagen und fuhr los. Als er einen Seitenblick auf die Frau warf, sah er die ersten Tränen über ihre Wangen kullern.
    »Sie lügen. Ich weiß, dass Sie lügen«, flüsterte sie - mehr zu sich selbst, als zu ihm.
    Specht drückte der Frau eine Packung Taschentücher in die Hand und fragte nach der Nummer ihres Hausarztes, den er gleich darauf anrief und um einen Hausbesuch bat.
    Dieser Anruf war anscheinend der ausschlaggebende Punkt, der den Schutzwall der Frau zusammenbrechen ließ. Sie weinte und schluchzte bis sie das Haus erreichten.
    Mit der Jugendhilfe war verabredet worden, dass die Enkelinnen Zuhause bereits auf die Oma warten sollten. Deshalb wurde die verzweifelte Frau bei ihrer Ankunft von zwei kleinen Mädchen mit blonden Locken und Stupsnasen stürmisch begrüßt. Er hoffte, dass es den beiden gelingen würde, den Schmerz der alten Dame etwas abklingen zu lassen.
    »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich mich kurz im Haus umsehen dürfte, vielleicht finde ich Hinweise auf den Täter.«
    Beim Wort Täter schluchzte die Frau erneut auf, signalisierte ihm jedoch, dass er tun und lassen könne, was er für richtig hielt. Er stieg in den ersten Stock hinauf, um nach einem Tagebuch oder Ähnlichem zu suchen.
    Im Schlafzimmer des Opfers stand ein Wasserbett, das Specht regelrecht anflehte, es sich gemütlich zu machen. Die perfekt gefalteten Laken verboten allerdings, mehr als einen Blick darauf zu werfen. Er konzentrierte seine Suche auf die Nachtkästchen, als sich die Schlafzimmertür öffnete und Frau Steiner, die Nachbarin, die anscheinend auf Kondolenzbesuch vorbeigekommen war, hereinspähte.
    »Guten Tag, ist Ihnen noch etwas eingefallen?« Was hätte er auch sonst sagen sollen? Vielleicht: »Wie geht es Ihnen? Haben sie die tragische Nachricht verkraftet?« Das war ihm zu zynisch, da blieb er doch lieber dienstlich.
    Frau Steiner hingegen erschrak, als er die Frage stellte: »Woher wussten Sie, dass ich noch mal mit Ihnen reden wollte?«
    Specht war nicht außerordentlich überrascht über die Reaktion der Frau. Er schob die Nachttischlade zu und wandte sich zum Kleiderschrank.
    »Nach so einer Nachricht liegen die meisten die ganze Nacht im Bett, um über das Geschehene nachzudenken. Oft fällt einem dabei etwas ein, das man bereits vergessen hatte.«
    Frau Steiner lächelte verlegen; dunkle Augenringe deuteten tatsächlich auf eine durchwachte Nacht hin.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob es wichtig ist.« Sie sah sich nervös um, trat in den Raum und schloss leise die Tür. An die Schlafzimmertür gelehnt, fuhr sie fort: »Mir ist eingefallen, dass die Kleine, ich meine Lena - Mariannes dreijährige Tochter - behauptet hat, ihr Papa sei vorgestern hier gewesen.«
    Auf solch eine Aussage schlug Spechts Polizisten-Sensor natürlich gleich an, da die Suche nach Herrn Nußbaumer bisher erfolglos verlaufen war. Laut seiner Arbeitsstelle genoss er - genau diese Woche - Urlaub. Und da er noch immer mit Hauptwohnsitz im Nußbaumerschen Domizil gemeldet war, konnte die Polizei über seinen derzeitigen Aufenthaltsort nur Spekulationen anstellen.
    Auf die Frage, was das Kind noch gesagt hätte, antwortete Frau Steiner: »Lena hat eine rege Fantasie. Für ein Kind in ihrem Alter ist das angeblich normal, ich fand es allerdings immer etwas sonderbar.«
    »Wovon reden Sie bitte?«
    Frau Steiner fixierte ihre Schuhspitzen, während sie mit der Antwort herausrückte:

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