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totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

Titel: totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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in allem ereignete sich einfach nichts, was meinem zerrütteten Nervenkostüm auf irgendeine Art und Weise gut getan hätte. Zwar war ich, seit ich bei Sommer angefangen hatte, in der Lage, meine Kreditraten zu bezahlen, duschte aber verdächtig oft und kaufte Waschmittel in 12 kg-Familienpackungen.
    Ich lebte in der ständigen Angst, nach Tod zu riechen. Ein bisschen süß und ein bisschen klebrig – »Gruft No 5, für die finalen Momente im Leben«.

03
    Auch außerhalb meines persönlichen Wirkungskreises ging alles in Schutt und Asche. Die Twin Towers in New York waren umgefallen, die Welt war nicht mehr das, was sie mal war. Wildfremde Menschen quatschten einem bei Aldi an der Kasse die Ohren voll mit Prognosen und Vermutungen über den Verbleib international gesuchter Terroristen. Das sinnlose Gefasel der Halbinformierten bewegte sich auf Fußballweltmeisterschaftsexperten-Niveau. Nur waren alle jetzt keine selbsternannten Bundestrainer, sondern heimliche Berater der CIA. Al Quaida überholte Naddel, Verona und Dieter in Sachen Bekanntheitsgrad um Längen. Osama bin Laden hatte sämtlichen Teppichludern der Welt den Rang abgelaufen. Sein Bild prangte in allen Medien, überall auf der Welt war er gesehen worden, an vielen Orten gleichzeitig, obwohl er sich beharrlich weigerte, bei George W. Bush vorstellig zu werden. Endlich konnten alle mal wieder mitreden, denn, wie mir schien, alle wussten nix, und zwar aktuell im Minutentakt, und das war gut so. Ich hatte irgendwann aufgehört, CNN zu schauen. Zu viel Patriotismus, zu viele Sternenbanner, zu viel Trauer, vor allem auf 28 Zentimetern.
    Der sehr blasse Herr unbestimmten Alters, den ich schon nach meinem Einstellungsgespräch gesehen hatte, war, so stellte sich bald heraus, gar kein Kunde, sondern mein Kollege Matti.
    Herr Matti machte alles, was Sommer ihm auftrug, sprach so gut wie nie und sah so aus, als sei er in permanenter Trauer. Und vor allem, er pfiff nicht vor sich hin. Wenn er denn mal was sagte, hörte man einen harten Akzent. Finnisch, wie ich schon nach sechs Wochen herausbekommen hatte. Matti war so freundlich und so distanziert, wie ich selten jemanden erlebt hatte. Wenn ich es recht überlegte, eigentlich noch nie. Matti bedankte sich artig für jede Tasse Kaffee, die ich ihm hinstellte, hielt mir bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Tür auf, nahm mir sogar den kleinen Poststapel ab, wenn ich vom Briefkasten kam, und bevor ich mit ihm ein Gespräch anfangen konnte, verschwand er nach »da unten«, wohin ich ihm, wie er sofort festgestellt hatte, niemals freiwillig folgen würde.
    »Da unten«, in Herrn Mattis Reich, da lagen die Toten. Es gab ein Kühlhaus von immensen Ausmaßen, in dem man locker fünf Tote auf ihren Bahren ein paar Tage frisch halten konnte, bevor sie in dem direkt angrenzenden Raum, der aussah wie ein schlecht eingerichteter Operationssaal, von Matti und Herrn Sommer für ihren letzten Auftritt im Aufbahrungsraum aufgerüscht wurden. Sommer war stolz wie Oskar auf seine zwei airconditioned Aufbahrungsräume. »So ist auch im Hochsommer eine längere, durch nichts beeinträchtigte Abschiednahme gewährleistet«, stand in seinem Werbeprospekt. Abgesehen vom üblichen Blau und Gold gab es, wegen der Klimaanlage, nur elektrisches Kerzenlicht und als Dreingabe eine Musikanlage, auf der Sommer tagein, tagaus dieselben drei CDs mit sphärischen Klängen abdudelte. Schon allein daran, dass sich keine Leiche im Sarg jemals über die grässliche Musik beschwerte, konnte man erkennen, dass sie wirklich tot waren.
    Die Anlieferung der Leichen erfolgte ganz dezent über den Hof. Dort gab es eine Rampe und eine schwere Stahlschiebetür, die direkt von der Rampe in den Arbeitsraum von Matti führte. Von da aus gelangte man dann entweder ins Kühlhaus, in das Sarglager, in die Aufbahrungsräume oder zur Wendeltreppe nach oben.
    Der von Sommer pietätvoll »Wirtschaftsräume« genannte Arbeitsbereich war durch eine sehr dezent mit Eichenholz verkleidete Schiebetür von den Aufbahrungsräumen getrennt. Wenn sie geschlossen war, konnte man kaum erkennen, dass es eine Tür gab. Ich ging nur nach unten, wenn ich Angehörige zu ihren lieben Verblichenen geleiten musste.
    Meistens tat Matti mir den Gefallen, sie auf der Mitte der Wendeltreppe höflich in Empfang zu nehmen, sodass ich erleichtert wieder nach oben gehen konnte. Schon allein die Geräusche, die manchmal von unten nach oben drangen, wenn Sommer vergessen hatte, die Eichentür

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