totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)
Leaves, den teuersten Sarg, den wir hatten.
Ich erzählte ihm, was sich in seiner Abwesenheit zwischen Sommer und Kostnitz unten zugetragen hatte. Meine Idee war, natürlich nur im Sinne aller Beteiligten, dass wir die Kremierung verhindern mussten. Wenn sie jetzt verbrannt würde, dann könnte man nie mehr etwas nachweisen. Erika Kostnitz gehörte zu unseren »Flusenträgern«. Also musste Kostnitz darin bestärkt werden, eine Erdbestattung zu verlangen, dann könnte man sie wieder ausbuddeln lassen, falls sich wirklich Verdachtsmomente ergäben, die das begründbar machten.
Ich redete mich in Rage und parlierte wie auf einem Krimi-Seminar: »Wir brauchen Beweise, irgendwelche Anhaltspunkte. Die Polizei braucht Beweise. Wir haben nichts weiter als Ihre Theorie, Herr Matti.«
»Dann reden Sie heute mit Kostnitz wegen der Bestattung, Frau Abendroth.«
»Sie haben Ideen, Herr Matti – wie denn, bitte? Der Kerl wird ja überhaupt nicht mehr nüchtern.«
»Sie reden doch auch mit mir.«
Tolle Logik. Ungefähr so logisch wie finnische Rechtschreibung.
12
So, wie Sommer auf Kostnitz reagiert hatte, konnte ich mir ausrechnen, dass er sich nicht gerade ein Bein abfreuen würde, wenn es auf eine Gala-Erdbestattung mit ordentlichem Grab und pompöser Feier hinauslief. Und wenn Sommer auch noch herausbekommen würde, dass ich die treibende Kraft war, die Kostnitz dabei beraten hatte, könnte ich wahrscheinlich bald meinem Arbeitsamtsmän wieder einen Besuch abstatten.
Warum hatte Sommer eigentlich so unwillig reagiert? Es konnte ihm doch eigentlich piepegal sein. Er würde sein Geld bekommen, wir hätten nur etwas mehr Arbeit. Das war es überhaupt, was mich so stutzig machte. Wie kann sich jemand über einen größeren Auftrag nicht freuen? Ich schlug mein Notizbuch auf und notierte:
1. Kostnitz besuchen
2. Wer ist Bartholomae?
3. Für wen arbeitet Schwester Beate?
Ich rief Wilma an und sagte für den Abend ab. Sie maulte ein bisschen herum, aber was sollte sie schon machen? Ich versprach ihr eine interessante Geschichte für den nächsten Abend, und sie sagte im Geiste des begrabenen Kriegsbeils schließlich ja. Obwohl, hatte ich da ein leises Knurren gehört?
Um fünf verabschiedete ich mich von Matti mit dem Auftrag an ihn, sich die Vorsorgepläne im Safe anzuschauen. Gründlich.
»Warum das, Frau Margret?«
»Nur mal so. Die Vorsorgepläne und die eventuell dazugehörigen Versicherungen.«
»Das geht nicht.«
»Warum? Haben Sie die Kombination nicht?«
»So ist es.«
»Ich werde darüber nachdenken, Herr Matti. Vielleicht hat Sommer sie irgendwo notiert. Die Leute notieren sich ihre Geheimnummern immer irgendwo.«
»Sie auch, Frau Margret?«
»Ich ganz besonders.«
»Ich nicht.«
»Das habe ich mir gedacht. Sie haben ja auch ein Elefantengedächtnis.«
»Was heißt das?«
»Das sagt man hier so, Herr Matti. Ein Gedächtnis wie ein Elefant. Großer Kopf, viel drin.«
»Ah.«
»Wir könnten ja auch mal so rumprobieren.«
»Spielen Sie Lotto, Frau Margret?«
»Wieso? Nein, tu’ ich nicht. Zu viele Möglichkeiten.«
»Sehen Sie.«
Halb im Scherz sagte ich: »Dann brauchen wir wohl einen Panzerknacker. Sie kennen nicht zufällig jemanden mit Schweißgerät?«
Und siehe da, Herr Matti konnte auch mal lächeln.
Wenig enthusiastisch machte ich mich auf den Weg zu meiner persönlichen Mission Impossible.
Ich war ganz erstaunt, dass er die Tür sofort öffnete, kaum dass ich den Klingelknopf losgelassen hatte. Ich stand vor einem stattlichen Einfamilienhaus im Ortsteil Stiepel. Es hatte eine schöne Front aus groben Sandsteinplatten. Die Eingangstür und die Fensterrahmen waren holländisch grün-blau gestrichen. Das wunderte mich, ich hatte bei der Prusseliese eher orange-rot erwartet. Der Vorgarten war mal eben handtuchgroß. Dafür konnte man in dieser Gegend aber einen wesentlich größeren Garten auf der Rückseite erwarten. Stiepel wird als besserer Stadtteil von Bochum angesehen. Die Rest-Bochumer sprechen von den Anwohnern auch gerne von der »Stiepeler Inzucht«.
Kostnitz sah mich an, und einen Moment lang dachte ich, dass er mich wohl nicht wiedererkannte, aber dann bat er mich mürrisch hinein. Er ging voraus ins Wohnzimmer, das auf der linken Seite des Hauses die halbe untere Etage einnahm. Alles machte einen gepflegten Eindruck. Das Mobiliar war in den Sechzigern mal richtig teuer gewesen. Dänischer Stil, das meiste Maßanfertigung. Die Blumen auf der Fensterbank hatten etwas
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