totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)
Informationsmappe mit. Da steht alles Wissenswerte drin, auch über Sozialhilfe und diverse Möglichkeiten der Unterstützung seitens anderer karitativer Einrichtungen oder Versicherungen für den Todesfall …«, Bartholomae holte kurz Luft, »… falls Versicherungen vorhanden sind.«
»Meine Tante ist sehr vermögend«, warf Wilma einen Informationsbrocken hin. So langsam lief sie warm, und ich dachte kurz darüber nach, ob ich Wilma mal in meinem nächsten Drehbuch, sollte ich jemals wieder eines schreiben, besetzen könnte.
»Selbstverständlich«, beeilte sich Bartholomae zu versichern, »selbstverständlich. Wir können auf alle Bedürfnisse eingehen.«
»Und vor allem will meine Tante sich die Pflegerin selbst aussuchen dürfen. Sie akzeptiert nicht jeden ungewaschenen Zivi.«
»Selbstverständlich, natürlich.«
»Meine Tante besteht auf einer Betreuung durch eine Dame mittleren Alters mit einem, wie soll ich sagen, gewissen Bildungsstand.«
Hau nicht so auf den Putz, Wilma, wir suchen nicht nach einer Anstandsdame für die Herzogin von York.
Bartholomae war jetzt von Wilmas Auftritt komplett paralysiert. Ziel erreicht.
»Wir können auf alle Wünsche ganz individuell eingehen. Bei uns arbeiten ausschließlich ausgebildete Fachkräfte.«
Wilma legte ihren Kopf um ein paar Millimeter schief. Bartholomae folgte ihrer Bewegung und neigte seinen Kopf ebenfalls. Ich war fasziniert. Wilma, die alte Magierin.
»Nun, vielleicht ein Tässchen Mokka, die Damen?«, sülzte er.
»Ja gerne«, hörte ich mich sagen.
»Nein, leider keine Zeit«, bestimmte Wilma. »Wenn Sie mir jetzt die Broschüren geben, reicht das völlig. Ich werde das – behutsam – mit meiner Tante besprechen.«
Bartholomae wirkte enttäuscht, griff aber sofort hinter sich in ein Regal und zog zwei Hochglanzbroschüren hervor. Eine dritte Broschüre aus einer Schublade legte er noch obendrauf.
»Vielen Dank.«
Wilma machte keine Anstalten, das Papier entgegenzunehmen, also musste ich zugreifen. Ich war in null Komma nix zu ihrer Sklavin degradiert.
»Übrigens, Herr Bartholomae, lerne ich das zweite B auch noch kennen? Meine Tante wünscht umfassend informiert zu sein. Sie wird mich danach fragen.«
»Äh … wie soll ich …«, stammelte Bartholomae, derweil Wilma gelangweilt ihre frisch manikürten Fingernägel anschaute, »… es handelt sich um einen … äh … stillen Teilhaber. Er tritt sozusagen nicht in Erscheinung. Ein Geldgeber. Er hat kein Interesse am Tagesgeschäft. Verstehen Sie, nur am Geld.«
Wilma gab sich noch immer nicht zufrieden. Das Duell zwischen den beiden machte mir Spaß.
»Wenngleich er auch still ist, wie Sie sagen – den Namen können Sie mir doch wohl nennen?«
»Natürlich, natürlich, sein Name ist Matti Paavo Bietiniemolaiinnen. Etwas kompliziert. Der Mann ist aus Finnland. Rein geschäftlich, Sie verstehen.«
»Und warum heißt die Firma dann Bartholomae & Bartholomae? Tantchen wird so eine Heimlichtuerei gar nicht mögen.« Wilma erhob sich, wandte sich abrupt zur Tür um und sagte: »Mit was man sich heute alles auseinandersetzen muss …«
Ich schnellte von meinem Stuhl hoch. Hoffentlich fragte mich Wilma jetzt nicht spontan nach meinem Kollegen im Bestattungsinstitut, weil ihr die Übereinstimmung des Namens aufgefallen war. Das hätte mir gerade noch gefehlt!
Ich hatte schon genug damit zu tun, meine Überraschung zu verbergen.
Aber Bartholomae kam mir mit seiner Beflissenheit zu Hilfe und plapperte: »Das ist, weil der Name so schwer auszusprechen ist, Frau Korff. Es ist nichts Geheimnisvolles. Bartholomae & Bartholomae spricht sich einfach besser. Soll ich Sie vielleicht in ein paar Tagen …?«
»Ich rufe Sie an, wenn meine Tante sich entschieden hat«, fiel Wilma ihm ins Wort. Abrupt blieb sie vor dem Ausgang stehen, sodass ich fast in sie hineingerannt wäre. Was denn jetzt noch? Bartholomae, der endlich kapierte, sprang herbei, um die Tür für uns zu öffnen. So macht man das.
Bevor er uns endlich ziehen ließ, griff er in ein Regal neben der Tür und holte ein gelbes Kissen hervor.
»Darf ich Ihnen ein kleines Geschenk des Hauses überreichen? Weicher Angorabezug mit Daunenfüllung. Sehr kuschelig!«
Wilma ignorierte die kleine Gabe und stolzierte grußlos an ihm vorbei aus der Tür.
Ich fühlte mich zu einer Erklärung genötigt.
»Tantchen hasst Angorawolle. Altes Trauma, Schweizer Sanatorien, Sie wissen schon. Aber ich nehm’ gerne eins. Mein Kater wird sich
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