totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)
heftig.
»Frau Abendroth, ich muss jetzt weg. Wenn Sie so nett sind und sich die Wunschliste für die Trauerfeier für übermorgen durchlesen? Haben Sie eigentlich schon einen neuen Organisten?«
Ich gab keine Antwort, ich hing über der Schüssel.
»Frau Abendroth? Bekomme ich eine Antwort?«
Mein erneuter Würgeanfall muss laut genug gewesen sein. Sommer wertete das, was er hörte, als ein Ja. Über der Schüssel kniend, hörte ich, wie er pfeifend das Büro durch die Vordertür verließ. Dann kamen Matti und Blaschke die Treppe hinauf. Es klopfte an der Toilettentür.
»Frau Abendroth, geht es Ihnen gut?«, hörte ich Mattis Stimme.
Ich war gerade dabei, mir den Mund auszuspülen und checkte meinen Mantel auf verdächtige Spuren. Dann öffnete ich die Tür.
»Könnte gar nicht besser sein, Matti, hab’ wohl was Falsches gegessen.«
»Vermutlich Schnee«, sagte Blaschke.
»Verstehe«, gab Matti höflich zurück.
»Kaffee?«, beendete ich die Diskussion über meinen Mageninhalt.
»Ach, gerne.«
Trotz einer Leiche in zwei Müllsäcken zum Empfang amüsierte Blaschke sich anscheinend königlich.
»Und was, Herr Kommissar, ist jetzt so lustig?«
»Ach nix. Eins zu eins würde ich sagen.«
Matti schaute von einem zum anderen.
»Frau Abendroth, ich habe ihm die Flusen ausgehändigt.«
»Gut, dann kann der Herr Blaschke ja jetzt gehen.«
»Sind Sie immer so freundlich, wenn jemand versucht, Ihnen zu helfen?«
»Nur, wenn ich morgens schon mit Hackfleisch konfrontiert werde.«
Matti riss die Augen auf, sagte aber nichts. Das traf mich in dem Moment empfindlicher, als wenn er mich laut kritisiert hätte. Wenn ich es recht verstanden hatte, war Blaschke heute Morgen, wahrscheinlich ohne Frühstück, schon dabei gewesen, als die Rettungssanitäter die arme Selbstmörderin, respektive die Puzzleteile der armen Selbstmörderin, von den Schwellen und Schienen gekratzt hatten. Wahrscheinlich war sogar er es gewesen, der einer ahnungslosen Familie die traurige Nachricht hatte überbringen müssen. Nein, so konnte ich Blaschke nicht gehen lassen. Ich atmete noch mal tief durch.
»Danke. Rufen Sie mich an, ich meine, wenn der Laborbericht da ist?«
Das war jedenfalls mein Standarddialog in Drehbüchern.
»Ich gebe Ihnen Bescheid, Frau Abendroth. Das tu’ ich übrigens nur für den Alten.«
»Egal für wen, wir sind Ihnen wirklich dankbar. Damit schließe ich Herrn Matti, mich und alle Toten mit ein.«
Er trank seinen Kaffee aus und ging. Dabei hinterließ er einen Hauch von Halston. Mir zitterten leicht die Knie. Wäre ich jetzt allein im Büro gewesen, hätte ich das Enzymspray zu exorzistischen Zwecken zum Einsatz gebracht.
Matti stellte einen Kaffee vor mich hin.
»Matti, ich muss noch mal weg. Und ich hab’ das grad’ nicht so gemeint.«
»Ich werde Herrn Sommer sagen, dass Sie vorübergehend indisponiert sind.«
Er schob meine Kaffeetasse noch näher zu mir hin. Eine kleine Geste, die wohl sagen sollte, dass er meine Entschuldigung angenommen hatte.
»Danke. Ich mache übrigens einen Besuch bei B & B.«
»Ach«, war alles, was er sagte.
Automatisch suchte ich in meiner Manteltasche nach meinem Autoschlüssel, kriegte aber nur den Brief von meinem Ex zu fassen. Einem Impuls folgend, schickte ich ihn durch den Reißwolf.
»Unangenehm«, stellte Matti fest und machte dabei ein Gesicht wie Buster Keaton.
»Allerdings.«
Ich sah dem Brief dabei zu, wie er von den Messern unerbittlich in die Maschine gezogen wurde. Allein die Handschrift von meinem Ex zu sehen, hatte mich schon auf die Palme gebracht. Der Inhalt, da war ich mir sicher, würde mich Amok laufen lassen.
»Man muss nicht alles lesen.«
»Ja, Herr Matti, da haben Sie Recht.«
Ich rief Wilma an, um mich mit ihr direkt vor der Geschäftsstelle von B & B zu verabreden. Abholen konnte ich sie nicht – meinen Chauffeur hatte ich ja dummerweise schon entlassen.
17
Wilma zeigte schon Anzeichen leicht nörgeliger Stimmung, als ich, nur zwölf Minuten zu spät, endlich vor der Tür von B & B eintraf. Sie war – wie immer – topmodisch angezogen. Bei Konfektionsgröße 34/36 auch kein Problem, stänkerte die dicke Maggie in mir. Ein bisschen allerdings tröstete mich der Gedanke, dass fast jede Frau neben Wilma wirkte wie ein Modell für »Vorher-Fotos«. Es sei denn, sie hieß Tatjana Patitz oder Linda Evangelista, die Damen in der konkurrenzfreien Zone eben.
Wilmas zarte Füßchen steckten in pelzbesetzten Stiefelchen, immerhin
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