totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)
bestimmt im neuen Jahr«. Der nächste Anruf war nur Piep, Piep, keine Nachricht und der nächste und der nächste auch. Darauf folgte eine aufgeregte Wilma, die mir von ihrem Treffen mit Bartholomae nur soviel berichtete, dass sie ihn für ein dummes Schlitzohr hielt. Geldgeil eben, ein armer Tropf, mit Pech an der Börse. Und übrigens, das mit dem Nutznießer sei ein Versehen gewesen. Danke dafür, Wilma!
Dann die Stimme eines hektischen Redakteurs einer Kölner Filmproduktionsfirma, ich möge sofort zurückrufen, egal welche Uhrzeit, private Mobilnummer folgte, es handele sich um einen Notfall. Ach was, ist ja spannend!
Ich wählte sofort die angegebene Telefonnummer. Er meldete sich auch sofort. In der Tat, es ging um einen Brand-Job. Ob ich bis zum 31. Dezember ein Drehbuch umschreiben könne, ich sei doch bestimmt wieder nicht weggefahren, blahblah, das ganze Projekt drohe »wegzubrechen«.
Ja, so nennen die Herren Produzenten es dann, wenn ihnen der Arsch auf Grundeis geht. Drehbeginn wäre am 15. Januar. Über Geld könne er aber noch nicht sprechen, weil es eigentlich kein Budget gibt. Da müsse ich ihm vertrauen, dass er das mit dem Honorar hinkriegte. Alles wäre ganz furchtbar, und ich seine letzte Rettung. Und übrigens, das Gerücht über den verkorksten Tatort hätte er eh nie geglaubt.
Ich atmete ganz flach, während er seinen Sermon abließ. Anscheinend war er fertig, denn ich hörte nur noch seinen Atem. Dann hörte ich mich tatsächlich sagen: »Nein, tut mir Leid. Kann nicht. Mein Flieger nach Paradise Island geht morgen früh. Frohes Fest dann noch.«
Während er noch vor sich hin stammelte, legte ich auf.
War ich denn jetzt total bekloppt geworden? Da wären bestimmt 5000 Mark drin gewesen. Es gibt niemanden, der besser zu erpressen ist als ein Redakteur mit Rasiermesser an der Kehle am 23. Dezember, mit Drehbeginn 15. Januar. Den Telefonhörer noch in der Hand, fing ich an, am ganzen Körper zu zittern. Ruf da jetzt sofort wieder an und sag, es war ein Scherz, haha. Du bist schließlich eine Drehbuchautorin. Natürlich machst du den Job. Einen Almosenjob, okay, aber ein Job. Du wirst doch wohl aus der rechtsrum gequirlten Kacke eines unfähigen Autors wenigsten linksdrehende gequirlte Kacke machen können!
Nein, mach ich nicht, sagte die Irre in meinem Kopf. Machst du nicht – mach ich doch, oder sollen wir verhungern? Machst du nicht!
Ich weiß nicht, wie lange ich bibbernd vor Aufregung vor mich hin gestarrt hatte, aber erstens wurde mir kalt, weil ich die Tür offen gelassen hatte, und zweitens war zwischenzeitlich unbemerkt Dr. Thoma hereinmarschiert und hatte angefangen, das Chaos unterm Bett zu sortieren. Mit den Hochglanzbroschüren von B & B war er gerade fertig geworden. Der Inhalt des Müllbeutels aus dem Reißwolf lag schon verstreut in der Wohnung. Kann man so lange so total abwesend sein? Muss wohl.
Ich hatte einen Job einfach abgesagt. Und wo bitte, fliege ich morgen hin? Paradise Island? Das war’s, mein Verstand hatte sich soeben in Brei aufgelöst.
»Dr. Thoma, ich brauche Kalorien.«
»Maooooo.«
»Okay, viele und fettige Kalorien.«
Interessiert starrte der Kater mich an.
»Spaghetti. Mit Sauce.«
Zufrieden versetzte er dem gelben Kissen, das er in die Wohnung geschleppt hatte, einen Uppercut. Es flog in hohem Bogen durch das Zimmer und landete mitten auf dem Tisch. Der Kater sprang hinterher und fegte es mitsamt den Zeitungen und Notizzetteln wieder auf den Boden. Bald war das Chaos in meiner Wohnung komplett.
»Ich rufe nicht zurück, Dr. Thoma. Nein, das tue ich nicht. Haha, ich bin auf Paradise Island, weißt du, das liegt in der Karibik. Da ist das Meer blau, und die Sonne scheint den ganzen Tag. Und ich bin total verrückt geworden. Ja. Das bin ich. Zu viele Leichen hier in der Gegend. Paradise Island ist toll. Keine schrecklichen Geschichten aus dem richtigen wahren echten Leben mehr. Pah! Dieses ganze Drama kotzt mich an. Echt. Ich will schwimmen, Cocktails, Sonne. Jaaaa, Herr Redakteur, das hätten Sie nicht gedacht, was? Maggie Abendroth, die Totalversagerin, wagt es, Ihnen abzusagen!«
Dr. Thoma ließ vom Kissen ab, sprang auf den Tisch und zog mit einer Kralle vorsichtig an meinem Pullover. Ich schaute in sein rundes Gesicht und seine großen Katzenaugen. Der Kater hielt meinem Blick stand. Als er dann anfing zu blinzeln, war ich zutiefst gerührt. Selbst der Kater wusste mehr über mich als ich selbst.
»Dr. Thoma, das geht wieder
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