totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)
Wilma hat hier mit Bartholomae …?«
Ich musste erst mal tief Luft holen.
»Sie haben geplaudert.«
»Und du hast gelauscht?«
»Das bringt der Beruf so mit sich. Natürlich habe ich gelauscht. Bei dem Lärm mussten sie ja auch laut sprechen. Nicht wahr?«
Er trank genüsslich ein paar Schlucke Bier.
»Was haben sie denn verdammt noch mal gesagt?«
»So dieses und jenes. Deine Freundin hat sich gut gehalten. Ist das die mit dem Friseursalon?«
»Ja. Ist sie.«
»Diese Tante würde ich auch gerne mal kennen lernen. Bartholomae hat sich buchstäblich die Lippen geleckt. Nee, eigentlich hat er gesabbert.«
Er machte eine Kunstpause und schaute die fast leere Flasche Corona an. Wusste er eigentlich, dass ich gerade vor Neugier schier dahinsiechte? Endlich sprach er weiter: »Und was die Sache mit den Börsenkursen angeht: Bartholomae hat sich tatsächlich erkundigt, ob die vermögende Tante nicht auch Verluste erlitten hätte.«
»Und? Was hat Wilma geantwortet, was ihre Tante erlitten oder nicht erlitten hat?«
»Du wirst es nicht glauben, sie hat ihm gesagt, und jetzt versuche ich das mal im O-Ton hinzukriegen: ‚Also, Herr Bartholomae, nur Kinder spielen an der Börse. Meine Tante ist kein Kind! Und ich auch nicht. Ich wünsche nicht, Verluste von ihr zu erben, sondern stattliche Immobilien‘ «, ahmte er Wilma auf den Punkt genau nach. Jetzt lachte Blaschke aus vollem Halse.
»Und? Was hat Bartholomae gesagt?«
»Er hat nervös gelacht. Und ihr zugestimmt. Er hat ein bisschen zugegeben, dass seine Bankberater wohl nicht so gut waren wie die von Tantchen. Keine überzeugende Vorstellung von ihm.«
»Ja, und dann?«
»Dann hat Wilma ihn gefragt, warum sein Name in der Versicherungspolice als Nutznießer auftaucht.«
»Was hat er geantwortet?«
»Er hat rumgestottert, dass er das gar nicht gesehen hätte, ein Vertrag für jemand anderen, wahrscheinlich. Ein Versehen. Dann hatte er es sehr eilig, sich zu verabschieden.«
»Die ist doch wahnsinnig.«
»Darf ich mal raten? Es gibt gar keine Tante.«
»Natürlich nicht. Wir waren bei Bartholomae, um uns mal einen Eindruck zu verschaffen. Er hat uns Infomaterial mitgegeben. Eben auch diesen Versicherungsvertrag, nach dem Wilma ihn gefragt hat. Wir haben später gesehen, dass der schon als Nutznießer in der Versicherungspolice stand. Da frag’ ich mich doch, warum?«
»Und du denkst, der macht das, weil Sommer die Bestattung macht, aber nicht so, wie er soll?«
»Genau. Davon rede ich doch die ganze Zeit.«
»Ich wollte es nur noch mal hören. Noch einen Wodka?«
»Nein danke«, sagte ich, obwohl mein Gemüt gerne einen doppelten gehabt hätte.
»Schwester Beate hat übrigens keinen Führerschein.«
»Weiß ich schon lange, Winnie.«
»He, du bist nachtragend. Davon kriegt man Falten.«
»Haha!«
»Worum geht’s denn jetzt schon wieder mit dem Führerschein? Darf ich das wenigstens wissen, oder ist die Recherche geheim?«
Nicht ohne Stolz berichtete ich ihm von meinem Gespräch mit der neugierigen Nachbarin von Frau Becker, die das Auto von B & B vor der Tür gesehen hatte.
»Na ja, das kann alles und nix bedeuten«, sagte Winnie.
»Genau, Herr Kommissar! Es würde wesentlich mehr Bedeutung bekommen, wenn irgendein Nachbar das Auto auch vor der Tür von Erika Kostnitz gesehen hätte. Am Tag, als sie starb.«
»Natürlich.«
»Natürlich natürlich!«
»Ich werde darüber nachdenken.«
»In der Nachbarschaft nachfragen wäre wohl sinnvoller«, ereiferte ich mich über so viel Trägheit. Winnie legte seine Hand auf meinen Arm, weil ich mittlerweile mit der halbvollen Tasse Kaffee wild in der Gegend herumfuchtelte.
»Ich habe doch gerade gesagt, ich werde darüber nachdenken.« Er zwinkerte mir zu.
»Oh, ja, verstehe. Nachdenken. Gute Idee, Monsieur Maigret.«
Winnie machte mehr und mehr einen viel zu sympathischen Eindruck auf mich. Kaum, dass ich bemerkt hatte, wie gut ich mich in seiner Gegenwart fühlte, setzte prompt mein Fluchtinstinkt ein. Ich wollte plötzlich weg aus der Kneipe, weg von ihm und dem netten Geplauder. Ich wollte zurück in meine Höhle, den Kater anjammern, der guten Fee sagen, dass sie noch nicht mit Wunsch Nummer drei hätte anfangen sollen und dann schlafen. Ach Margret, schimpfte ich mit mir selbst, jetzt lass doch mal. Der Kerl sieht gut aus. Alle Weiber in der Kneipe beneiden dich. Jetzt genieß es gefälligst.
Ich hatte leider nicht weiter zugehört, was Winnie noch so sagte und fiel ihm mitten im
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