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totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

Titel: totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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aus dem Topf. Ich fror. Kein Wunder, ich lag auf dem nackten Fußboden, den Kopf in einem Haufen Daunenfedern.
    Was aber viel schlimmer war: Es war bereits taghell! Verdammt, 11.30 Uhr. Der 24. Dezember.
    Ich zog mir in Windeseile Socken und Stiefel an, versuchte, so schnell es ging, die Federn aus meinen Haaren zu entfernen und warf mich in meine alte Madenjacke, Marke Arktis-Durchquerung, schnappte meinen Geldbeutel und stand 30 Minuten später tatsächlich in rosa kariertem Flanellschlafanzug, Stiefeln und Mantel beim Aldi an der Kasse. Hin und wieder befreite sich eine Daunenfeder aus meinem Haar und segelte sanft zu Boden. Je wacher ich während der ganzen Aktion wurde, desto peinlicher war mir zumute.
    Zu allem Unglück roch ich irgendwo Rasierwasser, eindeutig Halston. Das konnte doch jetzt nicht wahr sein! Bestimmt eine olfaktorische Halluzination. Mit zusammengekniffenen Augen scannte ich die Schlange vor der Kasse ab, konnte aber nichts entdecken. Dann versuchte ich, über die Regale zu schauen. Dabei hüpfte ich unelegant auf und nieder. Noch mehr Federn flogen um mich herum. Die Leute hinter meinem Rücken fingen schon an zu kichern.
    Meine Nase hatte mich aber nicht betrogen – weia! – da war er. Und er war nicht allein. Winnie Blaschke plus Kollegin und dem Kollegen vom Vorabend, diesmal beide in Uniform, packten gerade palettenweise Getränke auf ihren Wagen. Wie ich dem von fröhlichem Gelächter begleiteten Gespräch entnehmen konnte, bereiteten sie den Weihnachtsabend im Polizeirevier vor. Ich starrte geradeaus zur Kasse und wünschte mir sehnlichst, auf der Stelle unsichtbar zu werden. Ich betete vor mich hin: Bitte jetzt schnell ganz viele Leute hinter mich, bitte, bitte. Ich brauchte jetzt ganz dringend drei ganz dicke Leute mit zwei oder drei vollen Einkaufswagen. Noch waren drei Leute mit proppevollen Wagen vor mir. Endlich wurden meine Gebete erhört, und eine Mama mit gefährlich hoch aufgefülltem Wagen und zwei Blagen jeweils rechts und links am Wagen hängend schob sich hinter mich. Noch zwei Wagen rappelvoll vor mir, noch einer, jetzt ich, ich, ich …!
    Ich hörte die junge Kollegin sagen: »Ist das nicht deine Bekannte?«
    »Wo?«
    »Na da, an der Kasse. Das ist doch ihr Mantel.«
    Auf Frauen konnte man sich echt verlassen. Namen sind Schall und Rauch, aber Mäntel wiedererkennen, das können sie. Endlich war ich an der Reihe, stopfte alle Sachen unsortiert in zwei Plastiktüten, zahlte, raffte meine Tüten so schnell es ging zusammen und flüchtete, ohne mich noch einmal umzuschauen, hinaus. Ich hetzte, so gut es die beiden schweren Einkaufstüten erlaubten, in Richtung Heimat. Der Spurt durch die eiskalte Winterluft raubte mir den Atem. Ich meinte schon, ein gefährliches Stechen in meiner linken Brusthälfte zu spüren.
    Endlich vor der Haustür angekommen, suchte ich wieder mal nach dem Haustürschlüssel. Im selben Augenblick hörte ich den Wagen neben mir anhalten. Mein Herz rutschte mir in die Schlafanzughose. Ein Volvo. Ich hörte es genau. Ich sollte damit bei Wetten, dass …? auftreten. Ich höre Volvos aus allem heraus, was Geräusche macht.
    »Erde, tu dich bitte, bitte auf«, aber die Erde blieb hart. Sie tat mir den Gefallen einfach nicht; lag wohl am erneut einsetzenden Frost. Ich hörte das satte Geräusch der zuschlagenden Fahrertür. Der Knipser stand vor mir und hielt mir einen Karton entgegen. Ich brachte kein Wort heraus. Was soll man auch schon sagen, wenn man im rosa karierten Flanellschlafanzug, dicker Madenjacke und Winterstiefeln an den Füßen, in jeder Hand eine Aldi-Tragetasche, bei minus fünf Grad vor seiner erbärmlichen Behausung steht? Was hätte mir da Geistreiches einfallen sollen?
    »Guck mich nicht so an, Gretchen. Ich komme nicht unangemeldet. Stand alles in meinem Brief. Hier, ein paar von deinen Sachen. Hatte ich aus Versehen mitgenommen.«
    Häh? Was hatte er mitgenommen? Ich verstand kein Wort. Ich verstand nur »Gretchen«, und das genügte. Noch ein Wort und mir würde roter Dampf aus den Ohren schießen.
    »Wollte ich dir noch bringen, bevor du in die Karibik fliegst«, sagte er und starrte auf meine Aldi-Tüten, »all inclusive, vermute ich.«
    Ich war immer noch fassungslos. Gretchen, er hatte Gretchen zu mir gesagt. Mein – nein, sein Kosename für mich. Der ultrageheime Kosename.
    »Vergiss deine Tennisschläger nicht«, setzte er lachend nach.
    Da brüllte es aus mir heraus, Heiligabend hin oder her, Weihnachtswunder hin oder

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