totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)
vorbei. Ich laber Müll, weil ich Angst habe und keiner was dagegen machen will. Ehrlich, kleiner Dickmops, das geht vorbei. Ich verspreche es.«
22
Dr. Thoma und ich hatten uns lustvoll ins Carbonara-Nirvana gemampft. Der Kater sah mit seinem dicken Bauch aus, als wären seine Beine plötzlich in den Körper gerutscht. Ich brauchte an Schlaf gar nicht zu denken. Die Carbonara hatte sich in meinem Körper in eine harte Masse von der Größe eines Medizinballes verwandelt. Ich wälzte mich hin und her, ging aufs Klo, kam wieder, warf den Kater vom Bett und schlief wieder nicht ein. Gegen drei Uhr morgens gab ich endgültig auf und stieg aus dem Bett. Dann könnte ich auch gleich anfangen aufzuräumen. Ich drehte die Heizung wieder hoch, wickelte mich in eine Wolldecke, nahm mir ein Kissen und setzte mich auf den Boden, um die Schnipsel zusammenzukratzen, die Dr. Thoma gekonnt auf meine 22 Quadratmeter verteilt hatte. Aus dem gelben Kissen, das komplett zerfetzt unter dem Küchenregal seine Ruhe gefunden hatte, hingen die Eingeweide heraus. Eine nicht unerhebliche Menge Federn lag auf dem Boden. Ich versuchte, sie wieder zurückzustopfen. Mit wenig Erfolg. Als meine Hand in dem Kissen steckte, fühlte ich etwas Seltsames: Plastikfolie. Ich fischte eine Schere vom Tisch und schnitt das Kissen ganz auf.
»Dr. Thoma, jetzt guck mal.«
Dr. Thoma lag ausgestreckt auf meinem Bett und hob nur mal kurz den Kopf an, um ihn sofort wieder gähnend in die Kissen zu betten. Soviel zur Einsatzfreude meines Mitbewohners.
Ich fragte mich ernsthaft, seit wann man ein Kissen samt Folie in eine Hülle steckt? Das war kein Materialfehler oder ein Versehen, wie die Kriminaltechniker vermutet hatten. Das war Absicht. Deshalb also kriegte man – mit dem Kissen auf dem Gesicht – sofort keine Luft mehr, folgerte ich. Das hatte Bartholomae doch mit Absicht so machen lassen. Damit es noch schneller ging. Wer stellt diese Kissen überhaupt für Bartholomae her?
In die Kissenhülle war ein Etikett eingenäht: Co-Operative Society Ltd. Thupten Tander, Kathmandu, Nepal. Auf der anderen Seite des Etiketts stand: Manufacturer & Exporter of traditional Garments, Hand-knotted Woollen Carpets.
Leider stand auf solchen Etiketten nie eine Telefonnummer. Mich interessierte brennend, wie die Kissen an Bartholomae geliefert wurden. Mit Innenleben oder ohne? Also rief ich bei der Auslandsauskunft an. Die Firma stand leider nicht in ihrem Telefonbuch. Die nette Dame tröstete mich damit, dass man selbst in Kathmandu wahrscheinlich die Nummer nicht herausfinden würde. Soviel zur schönen neuen Welt der Global Players.
Ich sprang auf, steckte die Reste des Kissens in eine Einkaufstüte und brachte es weit weg von mir in die Waschküche. Mordwaffen raus aus meiner Wohnung. Mehr als aufgeregt fing ich an, die Papierschnipsel zu sortieren. Die, die eindeutig die Handschrift des Knipsers trugen, legte ich auf die Seite. Noch nicht. Noch nicht dran rühren. Der Rest, wie ich unschwer erkennen konnte, war Papierkram aus Sommers Büro.
Zur Beruhigung kochte ich mir einen Kaffee und sah mir die schmalen Papierstreifen genauer an. Sie waren dünn, höchstens zwei oder drei Millimeter breit, aber manchmal so geschnitten, dass ganze Zeilen zu lesen waren. Ein Streifen interessierte mich besonders. Es stand der Name Kostnitz drauf. Ich fand einen weiteren, der wohl die Kopfzeile eines Vertrages war. Es war, wie ich mich sehr gut erinnern konnte, die Kopfzeile des Vertrages zwischen Pietät Sommer und der Prusseliese über ihre Bestattungsverfügung. Wieso war die jetzt schon im Müll gelandet? Sehr interessant war allerdings, dass die abgeschnittenen Worte, die man an der Schnittkante noch erkennen konnte, nicht mit der Schreibmaschine, sondern mit blauer Tinte geschrieben waren. Es waren nur Häkchen und kleine Reste von Buchstaben. Soweit ich mich aber erinnerte, war der gesamte Vertrag, den ich bei Sommer gesehen hatte, mit der Schreibmaschine verfasst. Da war nur die Unterschrift in blauer Tinte gewesen.
Dann fand ich noch eine Kopfzeile, und zwar gehörte die zur Bestattungsverfügung von Frau Becker. Ich grabbelte weiter in den Papierspaghetti herum und fand noch einen Streifen mit dem Namen Becker und den Anschnitt eines Wortes, das wohl »Blumenbouquets« heißen sollte.
Inmitten meiner Gedanken zum Thema Blumenbouquets musste ich wohl eingeschlafen sein. Als ich wieder wach wurde, saß Dr. Thoma in der Spüle und leckte die letzten Reste Sauce
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