totgequatscht: Maggie Abendroth und der Teppich des Todes (German Edition)
nun mit beiden Fäusten im Takt auf die Tischplatte trommelte und dabei rief: »Ich fass es nicht!«
Davidoff zog den Schwanz ein und verkroch sich unter den Tisch. Rudi sah aus, als wollte er am liebsten hinterherkriechen. Elli hatte zwar zwanzig Kilo abgenommen, blieben immer noch knappe 150, und wenn sie die in Bewegung setzte, entwickelte sie die Power einer Planierraupe. Sie langte unter den Tisch, zog Davidoff aus seinem Versteck und sagte: »Komm da raus, du wirst staubig. Wie soll ich das wieder sauber kriegen?«
Ich schulterte meine Tasche. »Nun gut, da ich ja offensichtlich schuld an Wilmas Flucht bin, gehe ich mal lieber.«
»Ich bin dafür, dass keiner geht«, sagte Winnie. »Das ist doch kindisch. Wir könnten uns ja überlegen, ob wir eine Willkommensparty machen. Als Überraschung. Das wäre doch ganz nett für Wilma und Acki.«
Alle hoben ihre Hand. Meine blieb unten. »Okay – ich bin dann mal weg.«
Vor der Kneipe zündete ich mir eine Zigarette an. Hinter mir öffnete sich die Tür, und Matti kam heraus. »Kommen Sie denn zu unserer Ausstellung?«, fragte er.
Ich hatte keine Ahnung, worüber er sprach, und brachte nur ein »Äh?« heraus.
»Die Einladung liegt seit einer Woche in Ihrem Briefkasten, Frau Margret.«
»Oh … ja … Ich, ich … hab, glaube ich … habe seit einer Woche nicht mehr … Ja, dann guck ich mal sofort nach. Und wenn ich keine Schicht habe, dann komme ich … versprochen. Klar.«
Matti nickte und sagte: »Danke. Wir würden uns freuen. Rudi gibt sich sehr viel Mühe mit den Vorbereitungen. Soll ich Sie nach Hause fahren?«
»Nee, danke. Ich laufe lieber«, sagte ich.
Kapitel 4
Ich schloss die Wohnungstür auf und warf meine Tasche auf das Teakholztelefonbänkchen, das in der Diele stand. Die gesammelte Post rutschte aus der Tasche und verteilte sich auf dem Boden. Obenauf ein Brief von der Bank. Ich hob die Umschläge auf und las als Erstes die Kontoauszüge: desaströs. Immer noch 7.800 Euro Kredit abzuzahlen. Dann riss ich den Umschlag mit dem Absender ›Bestattungen Abendroth‹ auf …
würden wir uns sehr freuen, wenn Du bei der Ausstellungseröffnung »Sein-Traum-Tod« im Rahmen des Friedhofstages am 18. Dezember, 11 Uhr, dabei sein könntest. Große Trauerhalle, Hauptfriedhof Bochum-Altenbochum. U.A.w.g. Matti Bietiniemolaiinnen, Mia Hoffstiepel, Rudi Rolinski
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Den Rest der Post deponierte ich, ohne einen Blick darauf geworfen zu haben, in meiner Tasche – sollte ich jemals bei einer der nächsten Schichten im Callcenter Langeweile haben, wäre immer noch Zeit für die Lektüre. Mir stand nur noch der Sinn danach, mich ins Bett zu werfen und die Augen zu schließen, denn der Anblick von Winnies ehemaliger Wohnung, die er mir selbstlos überlassen hatte, bescherte mir einen dauerhaften Schockzustand. Unvermutet war ich aus dem Anbau von Elli Ruschkowskys Pudelsalon
Schickobello
in die Klauen der Mittsechzigerjahre geraten. Als Winnie mir den Schlüssel ausgehändigt hatte und fröhlich mit Nikolaj davongefahren war – vor sich eine rosige Zukunft in einem architektonisch wertvollen Loft in Essen –, hatte ich die Tür aufgeschlossen und war erst mal zurückgeschreckt. Kaum war ich wieder zu Atem gekommen, hatte das grüne Telefon auf dem Teakholztischchen in der Diele geklingelt. Ein Telefon mit Wählscheibe!
Mit zitternder Hand hatte ich abgehoben. Man soll ja in Museen nicht alles anfassen – das weiß man doch.
Winnie war am Apparat und sagte: »Und?«
»Was, und?«
»Wie gefällt’s dir?«
Ich ging, soweit es die Telefonschnur zuließ, ins Wohnzimmer, und beim Anblick von Teakholzregalen und grünem Tweed-Sofa fiel mir nur eine Erklärung ein: »Du hast hier nicht gewohnt.«
»Warum denn nicht?«
»Das hier ist ein Museum.«
»Die Wohnung meiner Mutter selig. Ich hab sie so gelassen. Oma Berti hat gesagt: Junge. Trauern dauert so lange, wie es dauert. Wenn du damit fertig bist, wirst du es merken.«
Berti hatte die Wohnung nach dem Tod von Winnies Mutter sozusagen ›aufbewahrt‹, damit er irgendwann, wenn er alt genug war, trauern konnte?!
»Ja, hat sie«, sagte Winnie, ohne dass ich irgendwas gefragt hatte. »Und ich habe da gewohnt – das geht hervorragend. Mach dich mit allem vertraut. Und vor allem, mach nichts kaputt. Das ist das Einzige, worum ich dich bitte. In einem Jahr, wenn ich immer noch mit Nikolaj zusammen bin und nicht wieder einziehen will, dann können wir über eine Neugestaltung reden. Aber vorher – bitte nix
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