totgequatscht: Maggie Abendroth und der Teppich des Todes (German Edition)
Ort war kilometerweit entfernt. Um dorthin zu gelangen, hätte ich erst mal lernen müssen, das Schneemobil zu fahren. Der Unterschied war, dass Matti, wenn er behauptete, es sei Tag, nach draußen ging und es sich auf dem See gemütlich machte.
Wenn die Uhr aufgehört hätte zu ticken, hätte ich gar nichts mehr gewusst – wie ein Astronaut, der in seiner Raumkapsel treibend alles vergisst. Die Stille am Tag war geradezu aufdringlich, dafür sahen in der Nacht die Sterne in ihrem Glanz und ihrer Fülle aus, als wären sie direkt aus Hollywood hierher exportiert worden, und die erste Aurea Borealis, die ich sah, hielt ich für eine Computeranimation. Matti hatte sehr gelacht. Ich stellte fest, dass ich ihm stundenlang dabei zusehen konnte, ohne irgendetwas zu vermissen. Einer der wichtigsten Gründe, warum ich nicht schon nach drei Stunden in der Eiswüste gequengelt hatte, wieder nach Hause zu wollen.
Doktor Thoma saß den ganzen Tag in der Gewissheit, dass es sehr, sehr weit bis zum nächsten unbewachten Kühlschrank war, am großen Fenster, das zum See hinausging, und bewies beim In-den-Schnee-Starren ebenso viel Geduld wie der Hausherr mit seiner Angel.
Ich hatte mit Matti vereinbart, dass wir erst dann gemeinsam mit dem Schneemobil in die Stadt fahren würden, wenn ich die erste Seite meines Romans aufs Papier gebracht hatte. Wenn es gut liefe, könnte es morgen so weit sein, dachte ich an jedem Abend. Und wie jeden Abend riss ich die Seite, mit der ich nicht zufrieden war, aus der Trommel, knüllte sie zusammen und warf sie in den Kamin. Dann spannte ich ein neues Blatt ein und füllte meine neue Prince Charles Tasse – Mattis Geschenk, mit dem er Gott sei Dank nicht versucht hatte, Eckes aufzuhalten – mit frischem Espresso.
Matti winkte vom See. Ich winkte zurück. Heute Abend würde es Fisch geben, wie jeden Abend. Doktor Thoma hatte auf diesen Moment gewartet und sprang an den Mäusen, die zuweilen in dem Blockhaus herumhuschten, elegant vorbei, um Matti und seinen Fang zu begrüßen.
Wenn Du in diesem Urlaub noch was anderes essen willst, dann hau endlich in die Tasten, Maggie Abendroth. In Kemijärvi Stadt soll es, Gerüchten zufolge, ein Restaurant geben, in dem Pizza serviert wird. Das meinte ich jedenfalls verstanden zu haben, als ein Nachbar auf einen Besuch hereingeschneit war, im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Mitarbeiter des örtlichen Bestattungsinstituts
Hautauspalvelu Latvakoski
, wen hätte man in dieser Gegend auch sonst auf einen Besuch erwartet?, hatte Matti über das Woher und Wohin der vergangenen Jahre in der Gemeinde Kemijärvi auf den neuesten Stand gebracht.
Ich atmete tief ein und wieder aus, nahm mir zum zigsten Male vor, nur über die Dinge zu schreiben, über die ich tatsächlich Bescheid wusste, zündete mir noch eine Zigarette an und schrieb:
totgepflegt – Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab.
Kapitel 1
Meine Reise in die Bedeutungslosigkeit begann an einem dieser derart wunderschönen Spätsommertage, dass mir in meiner Situation zwangsläufig schlecht davon werden musste. Die Augustsonne schien laut und grell aus vollem Halse, während in meinem Innern die Königin der Nacht »Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen« skandierte, da klingelten schon die Studis vom Jobservice, die ich in einem Anfall von Luxussehnsucht engagiert hatte …
Matti deckte den Tisch. Der Fisch wurde gegrillt, serviert, und er wurde auf den Tellern kalt. Doktor Thoma entließ ein verzweifeltes Miauen in die sternenklare Nacht von Kemijärvi, und Matti sagte: »Pssst, Tohtori Thoma, ich glaube, morgen gibt es wirklich Pizza.«
Danksagung
Liebe Leserinnen und Leser,
so! Die letzte Zeile ward geschrieben, Ihr habt sie gelesen – und Edda Minck hat fertig mit Maggie Abendroth. Es ist an der Zeit, durch den Wörtersee zu schwimmen, um Bücher zu entdecken, die noch geschrieben werden wollen.
Maggie-Zeit war Chaos-Zeit mit jeder Menge Turbulenzen und jeder Menge Spaß und Ärger, und meistens alles gleichzeitig. Ich möchte diese Zeit nicht missen – es ist doch immer wieder was Lustiges dabei herausgekommen. Ich hoffe, Ihr seht das genauso.
An dieser Stelle müsste ich so viele namentlich nennen, denen ich danken möchte, dass der Platz nicht ausreicht. Also verbeuge ich mich vor all jenen, die mich in den letzten Jahren ertragen mussten, und verleihe Goldmedaillen für Geduld, Freundschaft, Zuwendung und gemeinsam verbrachte Zeit.
Autoren sind ein schlimmes Volk. Sperrt sie
Weitere Kostenlose Bücher