totgequatscht: Maggie Abendroth und der Teppich des Todes (German Edition)
Schutzhaft, die weiß ja nicht mehr, was sie tut.« Meine Laune verschlechterte sich täglich bei diesem Marathon an Glückseligkeit. Nicht, dass ich meiner besten Freundin kein Glück wünschte, aber sie war schon dünner als ich, sah tausendmal besser aus als ich, war pimpillionen mal erfolgreicher als ich, was musste sie auch noch verheirateter sein als ich? Warum musste sie überhaupt einen Mann haben, wo ich keinen hatte? Noch nicht mal in Aussicht, von Herrn Matti mal abgesehen, der mir mit der Sturheit eines Eisanglers Essenseinladungen schickte, die ich höflich ablehnte, weil ich ihn wirklich gern hatte, wie ich mir letztendlich hatte eingestehen müssen. Millimeter für Millimeter hatte er sich im Laufe der letzten Jahre in mein Herz geschlichen. Es gelang mir nicht, an der Tatsache vorbeizukommen, dass Matti etwas an sich hatte, dem auszuweichen mir immer mehr Energie raubte. Die Tatsache, dass er mir schon zweimal das Leben gerettet hatte, konnte es ja nicht sein. Er war so außergewöhnlich, wie ein Finne in Bochum exotisch sein kann, der ein Bestattungsunternehmen führte, für das er sich meinen Namen geliehen hatte. Bestattungen Abendroth klang eben besser als Bestattungen Bietiniemollaiinnen. Aber um der Sache auf den Grund zu gehen, hätte ich mit ihm mehr Zeit verbringen müssen. Und um herauszufinden, warum ich das nicht tat, hätte ich in mich gehen müssen – ein Ort, den ich lieber mied. Mein Selbstbewusstsein war nach allen Debakeln der letzten Jahre (ich hätte ein Buch mit dem Titel
In drei kleinen Schritten zum totalen Fiasko
schreiben können) auf Reiskorngröße zusammengeschrumpft, wohingegen mein Äußeres sich aufblähte wie ein Fesselballon. Na gut, an Elli Ruschkowskys Maßen kratzte ich noch nicht einmal, aber der Zeiger der Waage stolperte schon wieder stetig auf die achtzig Kilo zu. Vielleicht fielen mir deshalb die nächsten Worte einfach so aus dem Mund: »Heiratest du, weil du das Alter spürst? Oder geht’s nur darum, mal so einen Tüllfummel zu tragen, bevor es ums letzte Hemd geht?«, fragte ich.
Winnie saß mit einem Mal kerzengerade im Sessel.
»Machst du das eigentlich, weil dich der Neid zerfrisst?«, kam es hinter dem Vorhang zurück. »Ich habe auf allen Laufstegen der Welt Hochzeitskleider präsentiert, falls du das vergessen haben solltest.«
»Dann hättest du eins davon mitnehmen sollen. Models kriegen doch immer was geschenkt. Dann wären wir jetzt hier schon fertig.«
Winnie atmete hörbar aus. »Okay, Ladies. Ein Kleid noch, dann muss ich zurück ins Präsidium. Mein Hintern kriegt schon Sitzfalten.«
»Und meine Schicht fängt in einer Stunde an, also dalli, dalli, Frau Korff, so lange ich noch an die Jungfernschaft in weißen Kleidern glaube.«
Hinter dem Vorhang war ein Rascheln zu hören, dann teilte sich der Stoff, und Wilma schritt heraus wie eine Königin. Die Verkäuferin, die geduldig an den Stecknadeln zwischen ihren Lippen vorbei an ihrem Prosecco genippt hatte, hustete vor Schreck, und die Stecknadeln flogen durch den Laden.
Winnie klatschte in die Hände und rief: »Yes, Baby. Das ist es!«
»Es fehlt natürlich noch das Make-up«, sagte Wilma und zog den wagenradgroßen weißen Schlapphut in die Stirn.
»Hab ich doch gleich gesagt.«
»Das ist nicht von uns!«, rief die Verkäuferin, dabei krabbelte sie auf allen Vieren auf dem Hochflorteppich herum, um die Stecknadeln wieder einzusammeln.
»Das weiß ich«, sagte Wilma. »Das ist Vintage. Bianca Jaggers Hosenanzug, den sie bei der Hochzeit mit Mick Jagger getragen hat … Also nicht das Original, versteht sich. Aber …«
Die Verkäuferin nahm uns die halb ausgetrunkenen Proseccogläser aus den Händen und marschierte davon.
»Warum ist sie so sauer?«, sagte Wilma.
»Weil es so aussieht, als würde sie grad nicht über Los gehen und nicht ein paar tausend Euro verdienen. Da kann man schon mal sauer werden. Ich bin Experte für nicht verdientes Geld.«
»Warum hast du das nicht gleich angezogen«, sagte Winnie. »Hätte eine Menge Zeit gespart.«
»Wäre aber nur der halbe Spaß gewesen. Der Anzug muss noch geändert werden. Die Jacke sitzt in den Schultern noch nicht perfekt. Ich dachte, das könnten die hier machen … Wo ist die Verkäuferin denn jetzt?«
»Schmollecke. Such dir lieber einen anderen Schneider, sonst macht sie aus der Hose Hotpants. Wäre schade um die siebzig Zentimeter Schlag. Sag mal, wo hast du nur die Schuhe her? Dein Bräutigam wird auf einem Hochrad in
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