Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
Vom Netzwerk:
stellte er sich vor den Wagen und zog den Reißverschluss seines Mantels bis zum Kinn hoch. Dann betrachtete er mich. Auf seinem Gesicht lag der Hauch eines Lächelns, so als wüsste er genau, was ich gerade dachte: Niemand wird jemals meine Leiche finden.
    »Ihr müsst das nicht tun«, sagte ich zu den beiden.
    Jason zog mich vom Wagen fort in Richtung des Waldes. Mit schmerzenden Beinen schlurfte ich los und starrte in die Dunkelheit, die vor mir lag. Als ich den Boden zwischen den Bäumen sah, voll toter Blätter und aufgewühlter Erde, schoss mir ein Bild von Derryn durch den Kopf, wie sie neben ihrem Grab gestanden und ihrerseits in die Dunkelheit gestarrt hatte.

    Ich hatte immer in ihrer Nähe sein wollen, wenn es so weit war. Seit ihrem Tod hatte ich oft über meine eigene Sterblichkeit nachgedacht, und ich hatte keine Angst, dem Tod gegenüberzutreten, solange er nur friedlich daherkam. Doch hier, hundertfünfzig Kilometer entfernt von meinen Fotos von Derryn, die mich daran erinnerten, was sie für mich bedeutet hatte, begriff ich – genau wie sie -, dass ich am Ende nur Schmerzen fühlen würde.
    Ich blickte über die Schulter zurück zu Jason.
    »Warum müsst ihr das tun?«
    »Halt dein verdammtes Maul.«
    Hinter ihm ging der Typ aus dem Haus und suchte aufmerksam den Waldrand ab. Seine Taschenlampe schwenkte hin und her. In ihrem Lichtstrahl bemerkte ich eine Stelle mit dicht stehenden Bäumen rechts von ihm. Es gab nicht einmal einen Trampelpfad. Wir stapften einfach durch das schneebedeckte Unterholz.
    »Jason«, hörte ich seine Stimme, »warte mal.«
    Jason befahl mir, stehen zu bleiben. Ich nutzte die Gelegenheit, wirklich in mich aufzunehmen, was vor mir lag. Weit konnte ich nicht sehen. Es war nachtschwarz. Zwischen meinen Zehen spürte ich Gras und harten, unebenen Boden – genau die Sorte Boden, auf dem man sich den Knöchel brechen konnte, wenn man darüberlief.
    Ich warf einen Blick hinter mich.
    Jason war jetzt ein Stück näher bei dem Schwarzen. Sie flüsterten. Es war so unglaublich still, dass ihre Worte durch die Nacht getragen wurden: »Du weißt, was er uns befohlen hat: Bringt ihn zu der üblichen Stelle. Komm schon, Zack, du weißt doch, wie es läuft.«
    Der Schwarze war also Zack.
    »Die Stelle hier ist besser«, erklärte Zack.
    »Wir sind gleich an der verdammten Straße.«

    »Schau dir doch mal an, wie dicht die Bäume hier stehen.«
    »Wen interessiert das?«, entgegnete Jason, und seine Stimme erhob sich für einen Moment über den Flüsterton. Als Zack ihn einfach schweigend anstarrte, beruhigte er sich wieder. Zack war der Seniorpartner. Jason nickte entschuldigend und beugte sich noch ein Stück zu ihm vor. »Ich sage ja nur, dass ich ihn wirklich nicht sauer machen will. Er hat gesagt, wir sollen ihn bis nach oben bringen und es dort erledigen, wo wir auch die anderen hingebracht haben.«
    Die anderen . Also gab es mehrere von meiner Sorte. Mehrere, die der Wahrheit zu nahe gekommen waren. Mein Herz krampfte sich zusammen. Ein Angstschauer lief meinen Rücken hinab und ließ meine Beine zittern. Eine Art Vorgefühl davon, im Boden vergraben zu werden; dort in der Eiseskälte zu liegen und um ein schnelles Ende zu beten. Ich drehte mich wieder um und starrte in die Dunkelheit, die vor mir lag.
    Lauf!
    Mein Gesicht brannte trotz der Kälte.
    Du musst laufen!
    Ich wandte mich um.
    Sie redeten immer noch. Jason hielt die Pistole fest in der Hand und spielte mit dem Finger am Abzug. Zack warf mir einen Blick zu und runzelte die Stirn, so als spürte er, dass ich drauf und dran war, etwas Dummes zu versuchen.
    Lauf!
    Wieder schaute ich nach vorn. Sie kannten das Terrain. Sie kannten den Weg. Sie wussten, in welche Richtung sie mich drängen mussten und wo sie mir den Weg abschneiden konnten. Dann aber malte ich mir die Alternative aus: dass sie mich durch ein Labyrinth von Bäumen zu einem Ort voller Skelette führen würden; dass ich um mein Leben betteln und im Schnee sterben würde.

    Tu es jetzt sofort.
    Noch einmal warf ich einen Blick zurück – direkt in Zacks Augen.
    Und dann rannte ich los.
    Beinahe wäre ich bereits gestürzt, bevor es richtig losging, als ich mit den Zehen gegen einen Baumstumpf stieß. Doch ich berappelte mich und bahnte mir einen Weg ins Dunkel.
    »Hey!«, hörte ich Zacks Stimme wie ein Echo, das vom Blätterdach gedämpft und von den Stämmen abgelenkt wurde. Als Nächstes hörte ich ihn sagen: »Ich nehme die Straße.«
    Ich lief weiter, ohne

Weitere Kostenlose Bücher