Totgesagt
E-Mail. Du füllst das Formular für mich aus und nimmst Kontakt mit dem Autoverleih auf. Dafür tue ich weiter so, als wüsste ich nicht, wo die Carlton Lane ist.«
Er hörte auf zu essen.
In der Carlton Lane waren Terry Dooley und drei seiner Detectives an einem Abend vor ungefähr vier Jahren gewesen, ehe ich die Zeitung verlassen hatte. Am Ende der Straße befand sich, versteckt hinter Bäumen, ein Haus, in dem ein Bordell betrieben wurde. Einer von Dooleys Detectives betrank sich und schlug ein Mädchen ins Gesicht, als sie ihm sagte, er wäre ihr zu grob geworden. Sie rächte sich am nächsten Tag, indem sie genug Einzelheiten an die Zeitung durchsickern ließ, um zwar das Bordell und damit ihren Lebensunterhalt nicht zu gefährden, Dooley und seine Freunde aber in ernsthafte Schwierigkeiten zu bringen. Zum Glück für Dooley – und seine Ehe – landete der Anruf bei mir.
»Willst du das für den Rest meiner Tage gegen mich verwenden?«
»Nur wenn ich etwas brauche. Also, machst du es?«
Er seufzte. »Klar, wie Sie wünschen.«
»Du bist ein guter Mann, Dools.«
»Schick einfach dein verdammtes Zeug rüber, Raker.«
Dann legte er auf.
Ich mailte ihm alle Informationen, die er brauchte, um die Unterlagen auszufüllen, dann rief ich den Autoverleih an, um dort Bescheid zu geben und ein Ersatzauto anzufordern. Man klärte mich darüber auf, dass ich eine Selbstbeteiligung für das gestohlene Fahrzeug bezahlen müsse, die aber minimal ausfiele, weil ich den Premium-Versicherungsschutz gewählt hatte.
Als Nächstes rief ich bei Vodafone an. Ich erklärte, dass mein Handy in dem gestohlenen Fahrzeug gelegen hatte und dass ich alle eingehenden Gespräche zu meinem neuen Anschluss umleiten lassen wollte. Sie richteten es auf der Stelle ein.
Dann legte ich die beiden Umschläge, die Cary mir geschickt hatte, vor mir auf den Tisch. Der erste enthielt Myzwiks Akte mit seinem Strafregister vor und nach dem Gefängnis, bis zu dem Zeitpunkt, an dem seine Leiche im Stausee gefunden worden war. Es gab ein Schwarz-Weiß-Foto von seiner letzten Verhaftung. Die Unterlagen bestätigten, dass Myzwiks Leiche von Polizeitauchern ans Ufer gebracht worden war, nachdem man seinen Mantel auf dem See treibend entdeckt hatte. Seine Kreditkarten waren in einer Geldbörse am anderen Seeufer gefunden worden. Der Gerichtsmediziner hatte sich viel Mühe mit seinen abgetrennten Händen gegeben, die Fingerabdrücke aber nicht eindeutig identifizieren können, weil die Leiche zu lange im Wasser gelegen hatte.
In diesem Moment kam mir ein Gedanke.
Ich griff hinunter in die Sporttasche, zog Alex’ Akte hervor und blätterte zu den Ergebnissen der zahnärztlichen Untersuchung. In Alex’ Magen und seiner Luftröhre waren Zähne gefunden worden. Obwohl die Intensität des Brandes einige davon hatte zusammenschrumpfen lassen, konnte sein Gebiss einigermaßen präzise rekonstruiert werden. Das hatte schlussendlich seine Identifizierung ermöglicht. Am unteren Rand, vor den beiden fehlenden Seiten, fand ich, was ich gesucht hatte: Nur zwei der Zähne hatten sich noch in seinem Schädel befunden, beide lose und beide weniger beeinträchtigt durch das Feuer. An beiden hatten sich Spuren eines Klebematerials befunden, das zur besseren Haftung von Zahnklammern verwendet wurde, außerdem ein Ätzmittel, mit dem Zahnschmelz für die Versiegelung präpariert wird. Dies passte zu den zahnärztlichen Behandlungen, die bei Alex als Kind durchgeführt worden waren. Aus diesem Grund hatte ich den Abschnitt beim ersten Lesen nur überflogen. Doch wenn ich diesen Bericht mit dem Myzwiks verglich und beide Berichte gründlicher las, bemerkte ich ein Muster: Wie bei Alex war auch Myzwiks Identität schließlich anhand der zahnärztlichen Unterlagen bestimmt worden; und wie bei Alex hatte man an einem seiner Zähne Klebematerial gefunden.
Aber nicht nur auf dem Zahnschmelz.
In beiden Akten, in beiden gerichtsmedizinischen Befunden, waren Spuren desselben Klebematerials auch an den Zahnwurzeln gefunden worden.
Oh, Scheiße.
Weite Teile der zahnärztlichen Untersuchungen fehlten in beiden Akten; doch wer immer sie entfernt hatte, war nicht gründlich genug vorgegangen. Denn jetzt wusste ich, wonach ich suchen musste.
Myzwiks Fingerabdrücke konnten nicht eindeutig bestimmt werden, weil die Technik immer unzuverlässiger wurde, je länger eine Leiche im Wasser gelegen hatte; auch sein Gesicht hatte niemand mehr identifizieren können. Und weil seine
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