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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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jetzt.
    »Legen Sie das Handy weg .«
    Diesmal schleuderte ich ihm die Worte hasserfüllt entgegen. In Myzwiks Gesicht bemerkte ich ein kurzes Aufblitzen von Erstaunen. Als hätte er damit nicht gerechnet, auch nicht bei einem Mann, der mitten ins feindliche Lager marschiert war.
    Schließlich schwieg die Stimme am Telefon.
    Myzwik drückte das Gespräch weg. Ließ den Deckel des Handys zuschnappen.
    »Was wollen Sie, David?«
    »Ich will wissen, was, zum Teufel, hier los ist.«
    »Warum?«
    »Nein. Ihr habt mir genug Fragen gestellt. Jetzt bin ich an der Reihe.«
    »An der Reihe? Hier geht es nicht der Reihe nach.«
    »Falsch. Sie werden meine Fragen beantworten – und wissen Sie, warum? Weil ich Sarah töten werde, wenn Sie es nicht tun. Glauben Sie nur nicht, dass ich zögern würde, wenn es wirklich um Leben und Tod geht.«
    Zum ersten Mal warf Myzwik einen kurzen Blick auf Sarah, ehe sein Blick wieder zu mir zurückkehrte. Irgendetwas stimmte nicht. Eine winzige Bewegung seiner Augen verriet ihn. Ich hätte schwören können, dass ich für einen winzigen Moment so etwas wie Traurigkeit bei ihm bemerkt hatte.
    Dann schoss er Sarah in die Brust.
    Die Kugel trat weit oben ein, direkt oberhalb ihrer linken Brust. Sie wurde zurückgeschleudert, und ihr Blut spritzte mir ins Gesicht. Dann sackte sie zusammen. In einer unwillkürlichen Reaktion versuchte ich, ihren Körper vor dem Aufprall auf den Boden zu bewahren, indem ich sie wieder ein Stück zu mir hochzog. Dann aber klappte
sie völlig zusammen. Die Verlagerung ihres Gewichts war zu stark und kam zu plötzlich, als dass ich sie hätte halten können. Ich legte sie auf den Fußboden. Als ich wieder aufblickte, stand Myzwik direkt vor mir. Seine Pistole war auf meinen Kopf gerichtet.
    »Verdammt, was haben Sie getan?«
    »Stehen Sie auf«, erwiderte er.
    Ich betrachtete Sarah. Sie lag zu meinen Füßen und umklammerte ihren Oberkörper, während das Blut zwischen ihren Fingern herausquoll. Das Licht in ihren Augen war schon am Erlöschen.
    »Sie wird sterben.«
    »Stehen Sie auf, sonst sind Sie der Nächste.«
    Ich erhob mich. Sarahs Blick folgte meinem, ehe sie den Halt zu verlieren schien und ins Leere starrte. Ich wischte mir einen Spritzer ihres Bluts aus dem Gesicht.
    »Sie wird hier sterben, Stephen«, sagte ich in dem Versuch, vernünftig mit ihm zu reden und durch die Verwendung seines Vornamens an seine Menschlichkeit zu appellieren.
    Es funktionierte nicht.
    »Dann stirbt sie eben«, erwiderte er gelassen.
    Ich schaute zu ihr hinunter. Ihr Leben – vielleicht gerade einmal zwanzig Jahre – sickerte zwischen ihren Händen hindurch, ihr T-Shirt hinab und zwischen die Bodendielen. Es vermischte sich mit all dem anderen Blut, das in diesem Raum vergossen worden war.

36
    Wir folgten den Fußspuren zum zweiten Gebäude. Es war ein altes, schiefergedecktes Farmhaus mit einem Anbau an der Rückseite. Vorn befand sich eine Veranda wie die, die ich auf dem Polaroid von Alex bemerkt hatte, außerdem ein Holzschild, das auf die innere Seite des Geländers genagelt war. Darauf stand LAZARUS. Hinter dem Haus fiel das Grasland zum Meer hin ab. Heidekraut wucherte dort und breitete sich in alle Richtungen aus. Zu beiden Seiten schlossen sich weitere Felder an wie Karos auf einer Daunendecke. Einige waren umgegraben worden. Spaten, Keilhacken und Grabegabeln lagen auf dem harten Untergrund herum.
    Als wir uns dem Gebäude näherten, senkte sich eine tiefe Stille über die Farm. Die einzigen Geräusche kamen von einem Windspiel, das sanft in der vom Meer herüberwehenden Brise schaukelte, und von einer Wetterfahne an der Seite des Hauses, die das Schleifen von Metall auf Metall erzeugte. Als der Wind sich legte, blickte ich hinauf zum Dach und bemerkte die Form der Wetterfahne: Es war ein Engel.
    Ich trat auf die Veranda und schaute durch das vordere Fenster hinein. Alex war mindestens einmal hier gewesen, nämlich als das Foto von ihm gemacht wurde – ein für alle Zeiten eingefrorener Moment. Umrahmt vom Fenster, dem Holzgeländer der Veranda und dem Blau des Meeres und des Himmels. Das Bild musste ganz am Anfang aufgenommen worden sein, als er auf der Farm angekommen war. Vor dem Programm. Vor dem, was danach kam.
    Myzwik schob mich über die Veranda.
    »Machen Sie auf, und treten Sie ein«, sagte er.
    Ich öffnete die Tür. Wie in Bethany stand man sofort in
einer Küche. Sie war klein und düster; alle drei Fenster waren mit schwarzen Plastikbahnen abgedeckt. Es

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