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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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-Schriftzug.
    »Können Sie das lesen?«
    Sie nickte. Sie atmete stoßweise. Sie hatte Angst.
    »Gut. Dann sprechen Sie also Englisch. Jemand hat diese Nachricht in die Wand gekratzt und dabei einen Teil der Fingernägel verloren. Sie sehen doch diese Fingernägel, oder?«
    Sie nickte wieder.
    »Sprechen Sie, ich höre Sie nicht.«

    »Ja.«
    »Gut. Haben Sie irgendeine Vorstellung davon, wie schmerzhaft das ist? Wie verzweifelt jemand sein muss, um mit den Fingernägeln eine Botschaft in die Wand zu ritzen?«
    Sie rührte sich nicht.
    »Sarah?«
    »Ja.«
    »Ja was?«
    »Ja, ich weiß es.«
    »Gut. Und deswegen fangen Sie jetzt endlich an, mir ein paar Fragen zu beantworten. Denn wenn Sie das nicht tun, werde ich eine neue Nachricht hier in die Tür ritzen, und nachher werden Ihre Fingernägel drinstecken. Haben Sie mich verstanden?«
    Sie nickte.
    Ich zog sie hoch und führte sie aus dem Raum, weil ich den Gestank nicht länger aushalten konnte.
    Im Flur zwang ich sie, vor einer der Wände niederzuknien. Für einen kurzen Moment sah ich mich selbst im Badezimmerspiegel, und den Menschen, den ich dort erblickte, mochte ich nicht. Aber die Dinge hatten sich verändert. Ich hatte mich verändert. Es gab keinen Weg zurück zu dem Mann, der ich einmal gewesen war. Jetzt nicht mehr. Dafür hatten sie gesorgt.
    »Ich will Ihnen nicht wehtun«, sagte ich. Sie kniete und stützte sich mit einer Hand an der Wand ab. »Aber ich werde Ihnen wehtun, wenn ich nicht das bekomme, was ich von Ihnen will.« Ich machte eine Pause, um die Worte wirken zu lassen. »Gut. Erstens: Wofür wird der Raum mit den Ringen benutzt?«
    Nach kurzem Zögern sagte sie: »Akklimatisierung.«
    »Was, zum Teufel, soll das heißen?«

    »Wir bringen sie zum Trockenlegen hierher.«
    »Zum Trockenlegen?«
    Sie nickte.
    »Was sind das für Leute? Drogenabhängige ?«
    Sie nickte.
    »Schluss mit der Zeichensprache. Ja oder nein?«
    »Manche ja.«
    »Aber nicht alle?«
    »Nicht alle. Aber die meisten.«
    »Also betreiben Sie ein Entzugsprogramm?«
    »So ungefähr.«
    »Ja oder nein?«
    »Ja. Aber es ist nicht …«
    »Nicht was?«
    »Nicht wie ein normales Programm.«
    Ich schaute in den Raum mit den Ringen.
    »Was Sie nicht sagen. Was ist es dann?«
    »Es ist ein Weg, den Menschen beim Vergessen zu helfen.«
    »Was zu vergessen?«
    »Die Dinge, die sie erlebt haben, und die Dinge, die sie selbst getan haben.«
    »Zum Beispiel?«
    Sie schwieg einen Augenblick. Schließlich nahm sie die Hand von der Wand und drehte ihren Kopf ein winziges Stück, sodass sie mich sehen konnte.
    »Ich bin nicht sicher, ob Sie das verstehen würden.«
    »Ich schätze, wir lassen es darauf ankommen.«
    Wieder zögerte sie. Dann drehte sie sich erneut zur Wand.
    »Sie alle haben Traumata erlitten«, sagte sie.
    »Zum Beispiel?«
    »Traumata, die ihr Leben beeinträchtigen.«
    »Einzelheiten«, verlangte ich.

    Wieder drehte sie den Kopf und schaute mir direkt in die Augen. Dann betrachtete sie mit funkelndem Blick mein Gesicht. Ich konnte die Angst sehen wie zuvor, als ich sie überrascht hatte. Jetzt aber wirkte diese Angst weniger überzeugend … als würde sie mir etwas vorspielen. Als wäre all dies – das ängstliche kleine Mädchen, die sanfte Stimme – eine Art, die Realität auf den Kopf zu stellen.
    »Was für Traumata, die ihr Leben beeinträchtigen?«
    Sie lächelte ein wenig traurig. »Wie Derryn.«
    Ich packte sie im Genick und presste ihren Kopf gegen die Wand. Ein kleine Wolke von Putz rieselte in ihr Gesicht und zwang sie, die Augen zu schließen.
    Ich beugte mich dicht an ihr Ohr.
    »Versuchen Sie nicht, mich zu manipulieren. Erwähnnen Sie ihren Namen nicht noch einmal. Wagen Sie es nicht, sie noch einmal als Waffe gegen mich zu benutzen. Wenn ich noch einmal ihren Namen höre, bringe ich Sie, verdammt noch mal, um.«
    Sie nickte.
    Ich lockerte den Griff an ihrem Hals, und sie öffnete wieder die Augen.
    »Halten Sie die Augen geschlossen.«
    Sie runzelte die Stirn, als hätte sie mich nicht richtig verstanden.
    »Halten Sie die Augen geschlossen !«
    Sie schloss die Augen.
    »Einzelheiten«, wiederholte ich. »Nennen Sie mir Einzel…«
    »Sarah?«
    Eine Männerstimme vor dem Haus. Schritte und knirschender Schnee. Es klang, als käme er um das Haus herum zur Hintertür. Ich drückte ihren Kopf gegen die Wand und rückte ganz dicht an sie heran.

    »Sie verhalten sich mucksmäuschenstill, klar?«
    Wieder öffnete sie die Augen und betrachtete mich. Sie war

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