Totgesagt
heute Morgen Gegenstände entdeckt, die sich eventuell als Spuren erweisen könnten.”
“Eventuell?”, echote sie, wobei sie spürte, wie ihr Puls schneller schlug. “Um was genau handelt es sich denn?”
“Zum einen haben wir ein paar kurze Haarsträhnen sicherstellen können.”
“Die nicht von meinem Vater stammen?”
“Die Haarfarbe ist Schwarz.”
Sie ahnte, was er als Nächstes sagen würde, und kam ihm zuvor. “Wie die von Clay.”
Der ihn da hineingesteuert hat, das war Clay …
“Richtig.”
“Das besagt doch gar nichts!”, fauchte Irene.
Die Montgomerys hatten so häufig unter Verdacht gestanden, dass Madeline ihrer Mutter den aggressiven Tonfall kaum verübeln konnte. Nur stand zu befürchten, dass sie mit dieser Einstellung bei Pontiff keinen Blumentopf gewinnen würde. Also erstickte Madeline die bei ihr aufkeimenden Zweifel mit der Zuneigung und dem Respekt, die sie für ihren Bruder empfand.
“Mom hat recht. Wahrscheinlich findet ihr in dem Wagen auch Haare von mir. Von Grace und Molly ebenfalls. Wir sind jede Woche mit dem Cadillac zum Gottesdienst gefahren.”
“Clays Haare in dem Wrack – da kannst du auch gleich feierlich erklären, ihr hättet seine DNA in unserem Haus entdeckt!”, lästerte Irene.
Die Aversion in Tobys Blick entging Madeline keineswegs. Nicht genug, dass ihre Mutter in der Stadt nicht ohnehin schon in Verruf geraten war, viele Bürger lasteten ihr auch noch die Schuld am Absturz von Chief McCormick an. Wahrscheinlich gehörte Pontiff ebenfalls dazu. An dem, was sich neun Monate zuvor abgespielt hatte, konnte allerdings weder Madeline noch sonst jemand etwas ändern. Im Gegensatz zu dem Rätsel um ihren Vater, war das Techtelmechtel zwischen dem früheren Polizeichef und Irene keine bloße Mutmaßung, sondern allgemein bekannt.
“Die Haare steckten zwischen Kopfstütze und Sitzoberkante”, erläuterte Pontiff.
“Ja, und?”, fuhr Irene ihn an.
“Am Fahrersitz, wohlgemerkt.”
Clay durfte mit dem Cadillac allerdings nie fahren. Das stand sogar in Madelines polizeilichem Vernehmungsprotokoll.
“Vielleicht hat er heimlich mal eine Spritztour unternommen”, meinte Irene.
Pontiff bewegte kaum die Lippen. “Etwa zum Baggersee?”
“Das lässt sich doch mit den gefundenen Haaren gar nicht beweisen!” Allmählich schlich sich so etwas wie Panik in Irenes aggressiven Ton.
Madeline, die das bemerkte, trat näher und fasste nach Irenes Hand. “Dass er mal hinterm Lenkrad gesessen hat, das muss doch nichts mit dem Verschwinden meines Vaters zu tun haben. Das kann auch aus anderen Gründen geschehen sein!”
“Zum Beispiel?”, hakte Pontiff nach.
Blitzschnell dachte sie sich ein plausibles Szenario aus. “Na, den Wagen beiseitefahren etwa. Weil der dem Trecker im Wege stand.”
Die Haare hatten nichts zu bedeuten. Wie der Anruf von vorhin. Wie all die Unterstellungen zuvor. Wenn ihr Stiefbruder der Täter sein sollte – wo blieben dann die Beweise?
“Dann wäre da noch etwas”, fuhr der Chief fort.
Madeline merkte, wie sich ihr der Magen schmerzhaft zusammenzog. “Was denn?”
“Ein Köfferchen.”
“Ihr habt einen Koffer gefunden? Wo befand der sich denn, als wir am Steinbruch waren?”
“Ist eher eine kleine Reisetasche. Wir haben sie im Kofferraum entdeckt, unter dem Reserverad.”
“Aber mein Vater hat von seiner Kleidung doch gar nichts mitgenommen.”
“Es waren auch keine Kleider drin. Sondern ein Stück Strick.”
Ihr Magengrimmen wurde schlimmer. “Was denn für ein Strick?”
“Leider nur ein stinknormales, handelsübliches Seil. Wie man es in jedem Baumarkt kriegt.”
“Ist nichts Auffälliges daran? Irgendwas, an dem man erkennen könnte, woher es stammt?”
“Aus meiner Sicht nicht.”
Eine herbe Enttäuschung, wie sie nicht verhehlen konnte. “Ja, dann … meinst du, es wurde benutzt, um meinen Vater zu fesseln?” Das Bild, das sie damit heraufbeschwor, war ihr selbst zuwider. Andererseits durfte sie auch nicht aus lauter Angst vor dem, was ihr Vater möglicherweise durchgemacht hatte, vor schwierigen Nachfragen zurückschrecken.
Pontiff fühlte sich erkennbar unbehaglich. “Ich glaube nicht, dass das Seil für deinen Vater bestimmt war”, sagte er. “Es befand sich nämlich noch etwas in der Tasche.”
Madeline wechselte einen bangen Blick mit ihrer Stiefmutter. “Spann uns nicht weiter auf die Folter, Chief!”
Er senkte die Stimme, bis Madeline ihn kaum noch verstehen konnte. “Da war auch
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