Totgesagt
… also, in der Tasche fanden wir auch einen … Dildo.”
Ihr war, als hätte ihr jemand mit voller Wucht eine Zentnerlast auf die Schultern gepackt. Schlagartig ließ sie Irenes Hand los. “Einen … bitte was?”
Chief Pontiff war puterrot angelaufen. “Na, so ein Sexspielzeug … so ein künstlicher Phallus … einen Dildo eben.”
“Was hat denn so ein Ding im Kofferraum meines Vaters zu suchen?” Inzwischen schrie sie fast.
Sein Gesicht färbte sich noch dunkler. “Keine Ahnung. Ich hoffe aber, dass wir DNA-Material gewinnen können.”
Irene griff sich an die Brust. “Nachdem so viel Zeit vergangen ist?”
Dass Pontiff sich nicht von Irene festnageln lassen wollte, lag auf der Hand. Dazu war sie ihm nicht sympathisch genug. Da sie aber nun einmal zugegen war, versuchte er, einen gewissen Grad von Professionalität zu wahren. “Der Dildo selbst befand sich in einer versiegelten Frischhaltetüte. Falls er …” – er musste sich räuspern – “… falls er vor dem Eintüten nicht abgewaschen wurde, haben wir vielleicht eine Chance.”
Irene wurde blass. “Und was sagt uns das?”
“Vielleicht gibt es irgendwo ein Opfer, das mit einem anderen Fall in Zusammenhang steht. Ein Fall, bei dem es möglicherweise Zeugen oder Hinweise gibt, die uns eventuell weiterhelfen. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir eine DNA-Probe von dem … dem Gegenstand nehmen können, ist gering. Noch unwahrscheinlicher scheint mir, dass wir die jemandem zuordnen können. Egal, wir müssen nehmen, was wir kriegen können.”
“Aber dieser Jemand”, wandte Irene kopfschüttelnd ein, “dieser Zusammenhang, den du da konstruierst – der könnte doch überall und nirgends liegen! Vielleicht hat Lee auf dem Heimweg einen Anhalter mitgenommen! Und der hat ihm das Ding in den Kofferraum getan, ehe er den Wagen im Baggerloch versenkte!”
Sie hatte häufig die Vermutung geäußert, ein Tramper oder Landstreicher müsse da seine Hand im Spiel gehabt haben. An dem betreffenden Tag aber, an dem Madelines Vater verschwand, war niemandem eine unbekannte Person aufgefallen. Und das in einer Stadt, in der jeder jeden kannte und in der man allem Neuen mit einer gehörigen Portion Misstrauen begegnete. Da wäre ein Fremder unter Garantie aufgefallen wie ein bunter Hund.
Pontiff betrachtete seine Stiefelspitzen. “Und dann war da noch etwas in dem Köfferchen”, murmelte er mit einem niedergeschlagenen Unterton.
Wie bitte? Sollte es etwa noch schlimmer kommen?
“Und was?”, fragten Madeline und Irene wie aus einem Munde.
Er hob den Blick. In seiner Wange zuckte ein Muskel. “Drei kleine Schlüpfer. Von der Größe her für etwa elf- bis zwölfjährige Mädchen.”
Mit einem Male wurde Madeline schwindelig. Ein Seil, ein Dildo und drei Mädchenslips, gemeinsam versteckt, egal wo – das allein war eine Vorstellung, bei der ihr regelrecht übel wurde. Zweifellos galt das auch für Chief Pontiff. Er hatte drei Kinder, allesamt Mädchen.
“Demnach wurde mein Vater von einem Kinderschänder umgebracht?”, fragte sie atemlos.
“Zumindest spricht einiges dafür.”
Aber wie konnte es überhaupt angehen, dass sich so jemand unter ihnen bewegt hatte? Einer, der nicht davor zurückschreckte, das geistliche Oberhaupt der Stadt zu ermorden? Und auch noch straflos davonkam? Stillwater war ein eher harmloses Pflaster – ganze fünfzehntausend Einwohner, wenig oder gar keine Kriminalität, von überführten Triebverbrechern gar nicht zu reden!
Trotz ihres Gedankenwirrwarrs um einen klaren Kopf bemüht, fasste Madeline den Chief am Arm. “Du, Toby …” In diesem Moment war er für sie nicht der Polizeichef, sondern der Ehemann ihrer Jugendfreundin, der Junge, den sie ihr Leben lang gekannt hatte. Ein mitfühlender Mensch wie sie selbst. “Könnte es sein, dass sich so einer meinem Vater anvertraut hat? So jemand mit abartigen sexuellen Neigungen? Sicher, es gibt zwar das Beichtgeheimnis, aber manches muss man doch melden … Vielleicht hatte mein Vater ja vor, diesen … diesen kranken Kerl anzuzeigen, und wurde deswegen umgebracht!”
“Das ging mir auch schon durch den Kopf”, räumte er ein.
“Wenn es jemand war, den mein Vater gut kannte, vielleicht sogar achtete – stell dir mal vor, wie beschämend das für diesen Mann gewesen wäre!”
“So einer setzt wahrscheinlich alle Hebel in Bewegung, um zu verhindern, dass er auffliegt.”
“Eben! Also, was hast du nun vor? Alle männlichen Gemeindemitglieder
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