Totgesagt
Verzweiflung und Ungeduld mit ihr durchgegangen. Als sie bemerkte, dass Allies Begeisterung langsam verflog, hatte sie etwas nachgeholfen und so zu suggerieren versucht, die Gefahr sei längst nicht gebannt.
Anfangs hatte alles ganz harmlos gewirkt. Aber Hendricks, damals noch Polizist hier in Stillwater, hatte es seine Stelle gekostet – und zusätzlich ein Jahr Gefängnis und nach Absitzen der Strafe auch noch Bewährung eingebracht. Seine Frau musste die Familie ohne ihn eher schlecht als recht durchbringen, und wäre Hendricks gar ein besserer Schütze gewesen, wäre Clay bei der Sache sicherlich nicht so glimpflich davongekommen. Madeline war danach nur deshalb nicht vor Gericht gelandet, weil man ihr keinen Vorsatz nachweisen konnte. Allies Dienstwaffe zu stehlen – und zu benutzen! – war Hendricks Idee gewesen.
Sie stand auf und durchschritt ruhelos ihr Büro. “Manchmal geht es mir eben durch den Kopf, und dann …”
“Muss es dir nicht!”, unterbrach er sie. “Wir machen alle mal Fehler und tun Dinge, die wir nachher bereuen.”
Angesichts seiner großzügigen Art rang sie sich ein mattes Lächeln ab. “Du bist ein guter Bruder.”
Er hielt sich mit ihrem Lob nicht lange auf. “Grace sagt, du hättest einen Privatdetektiv engagiert. Einen aus Kalifornien.”
“Genauso ist es.”
“Wann trifft der ein?”
“Diesen Donnerstag. Wann genau weiß ich noch nicht.” Sie trat ans Fenster. Wo blieb bloß der Anruf von Chief Pontiff? Hoffentlich hatte er etwas herausgefunden, das sie der Lösung endlich näher brachte …
“So kurzfristig?” Clay staunte.
“Ja, ich war auch erstaunt.” Sie ging zum Schreibtisch zurück und ließ sich in ihren Sessel sinken. “Grace meint offenbar, das brächte alles sowieso nichts.”
“Die Aussichten sind zumindest nicht besonders günstig für dich”, gab er zu bedenken.
Sie fing an, Kringel auf ihre Post-it-Zettel zu malen. “Dann bist du also auch der Meinung, ich könnte es mir von vornherein sparen?”
Er gab nicht gleich Antwort. Als er es dann tat, versetzte er Madeline in Erstaunen. Eigentlich hatte sie mit seinem standardmäßigen “Tu, was du nicht lassen kannst” gerechnet. Den Spruch bekam sie immer zu hören, wenn sie Clay um seine Meinung zu einem Artikel über einen neuen Hinweis bat oder wenn sie eine Reportage veröffentlichte, mit der sie das Interesse an dem Fall zu neuem Leben erwecken wollte. Stattdessen sagte er: “An manches rührt man besser nicht, Maddy.”
Sie ließ den Stift fallen und saß auf einmal kerzengerade. “Was soll das denn bedeuten?”
“Vielleicht werden dich die Antworten noch schlimmer quälen als die Fragen.”
Mit einem Mal von einem flauen Gefühl erfasst, wippte sie im Sessel vor und zurück. “Wie ist das bitte schön gemeint? Clay, wenn …” Sie schluckte heftig, krampfhaft bemüht, gegen das Rumoren in der Magengegend anzukämpfen. “Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann nur raus mit der Sprache!”
War es nur Einbildung, oder zögerte er tatsächlich für einen Wimpernschlag, ehe er antwortete? “Nein, habe ich nicht”, brummte er.
“Ich verstehe dich nicht. Wie soll das gehen? Antworten, die schlimmer sind als die Fragen?”
“Was weiß ich? Vielleicht war er in irgendwelche undurchsichtige Machenschaften verwickelt.”
“So ein Unsinn!”, hob sie ihre Stimme. “Er war ein gehorsamer Diener Christi! Ein anständiger Kerl! Müsstest du doch am besten wissen! Du hast doch mit ihm unter einem Dach gelebt, seine Predigten gehört! Die Religion hat er sehr ernst genommen.”
Clay hüllte sich in Schweigen.
“Verheimlichst du mir etwas?”, fragte sie, inzwischen nicht mehr bloß beunruhigt, sondern allmählich von Panik ergriffen.
“Mir ging da nur was durch den Kopf, als der Cadillac aus dem Baggerloch kam …”
“Nämlich?”
“Ein Mann in mittleren Jahren, der wird doch nicht grundlos umgebracht!”
“Er könnte ja auch überfallen worden sein”, konterte sie. “Und der Angreifer hat ihm womöglich die Brieftasche gestohlen. Vielleicht gab’s auch gar kein richtiges Motiv – außer Unbeherrschtheit, einen spontanen Gewaltausbruch, Dummheit! Da könnte ich zig Gründe anführen, die mit seiner Person gar nichts zu tun haben!”
“Du denkst dabei wohl an Mike Metzger?”
“Genau!”
“Mike mag ja ein Kiffer sein, aber ein Mörder ist er nicht.”
“Kann man nie wissen. Siehst du? Da liegt nämlich der Hase im Pfeffer. Mit Verdächtigungen sind wir fix bei
Weitere Kostenlose Bücher