Totgeschwiegen (Bellosguardo)
machst.“
Anna und Lara waren gerade vom Abendessen zu ihrem Haus zurückgekehrt und zogen sich im Eingangsbereich die triefnassen Jacken aus.
„Psst, Lara, das muss ja keiner hören.“ Anna sah durch den langen Flur ihres Hauses. Die Zimmertüren standen teilweise offen.
Es war Samstag und die Mädchen ihres Hauses machten sich allmählich für den Clubhausabend bereit. Gleich würde die Schlacht um die Spiegel im Waschraum losgehen.
Anna beeilte sich , in ihr Zimmer zu kommen. Laras Lippen formten sich zu einem, für sie typischen, Schmollmund. Augenrollend ging sie neben ihrer Freundin den Gang entlang. Erst mit Zufallen der Zimmertür führte sie ihren Vortrag fort.
„Ann a, jetzt mal im Ernst. Max gehört zu unserem Freundeskreis und ich möchte auch, dass es so bleibt. Er ist ein gutmütiger, netter Kerl. Kein Mensch hat dich gezwungen, mit ihm was anzufangen. Wenn du ihn jetzt so mit Füßen trittst, dann kommt ihr nie wieder auf ein normales Level. Und das bedeutet, dass wir mit den anderen Jungs aus seinem Haus über kurz oder lang auch nicht mehr viel machen können, oder dass zumindest die Stimmung immer verkrampft ist.“
„Dann sag Max, er soll beim Essen wenigstens reagieren, wenn ich ihn bitte, mir mal die Schüssel mit den Kartoffeln zu reichen. Weißt du wie nervig es ist, wenn jemand einfach so tut, als ober dich nicht hört, obwohl er direkt neben dir sitzt? Was denken denn dann die anderen, die mit uns am Tisch sitzen? Es wird nicht lange dauern und Christian, Luis und Sebastian kommen auf den Trichter, dass es zwischen Max und mir Probleme gibt. Und dann zählen sie eins und eins zusammen.“
„OK , ich rede nachher im Clubhaus mit Max und du versprichst mir, nicht mehr in die Witze über ihn einzusteigen. Er tut mir richtig leid.“
„Seit wann tut dir jemand leid?“
„Ich mag Max nun mal. Du hättest dich nur nie mit ihm einlassen dürfen. Du warst doch noch nicht mal verliebt in ihn.“
„Ja, Lara, ich weiß. Ich habe mich von ihm zu dieser unglücklichen Liaison überreden lassen. Passiert mir bestimmt nicht wieder.“
„Na ja, jetzt hast du ja auch einen gefunden, auf den du richtig scharf bist. Hast du mit Domenik seit Mittwochabend nochmal gesprochen?“
„Nein. Habe ich nicht.“
„Warum bist du jetzt so kurz angebunden?“
„Ach, mich nervt das mit Max. Eigentlich habe ich gar keine Lust, heute ins Clubhaus zu gehen.“
„D u willst lieber den ganzen Abend hier im Zimmer hocken?“
„ Weißt du was? Das werde ich. Wenn ich hier bleibe, kann ich Max nicht den Abend ruinieren und ihr könnt alle entspannt abhängen und Spaß haben.“
„Bist du dir sicher? Es ist Samstag!“
„Lara, geh und mach dich schön und dann hab viel Spaß.“
Anna warf sich auf ihr Bett und fischte die Fernbedienung ihres gemeinsamen Fernsehers vom Nachttisch. Auch für Fernsehen gab es Regeln. Aber Samstagabend konnte man glotzen, soviel man wollte.
Im Haus war es mit einem Schlag still. Ihre gesamte Etage bestand aus Mädchen, die alt genug fürs Clubhaus waren. Und das ließ sich am Samstagabend keine entgehen.
Der Samstag war der Partyabend, wo hingegen es mittwochs am Clubhausabend eher moderat zuging. Samstagnacht stiegen im Sommer dazu noch die illegalen Aussteigerpartys im Wald des Internatsgeländes. Aber jetzt war November, es regnete und keiner wollte sich ein paar Stunden in die Kälte stellen. So blieb zum Feiern nur der Clubhausabend und der musste rocken.
Als Anna neu im Internat gewesen war, hatte es auch noch heimliche Fahrten in die benachbarten Dörfer mit deren Dorfdiskos gegeben. Aber seit es einmal eine schlimme Prügelei zwischen der Dorfjugend und den Internatsschülern gegeben hatte, bei der ein Schüler so schwer verletzt worden war, dass er im Koma gelegen hatte, waren diese Expeditionen unter schwerste Bestrafung gestellt worden. Das Gelände durfte nachts nicht verlassen werden. Beim Missachten dieser Regel gab es mindestens eine Suspendierung nach Hause.
Bei den Aussteigerpartys im Wald drückte die Internatsleitung bei Schülern über 16 - und wenn sie am Wochenende stattfanden - auch mal ein Auge zu. Alles was unter 16 war , wurde bestraft, wenn erwischt. Alkohol auf dem Zimmer wurde konsequent immer bestraft, Ein- und Aussteigen des nächtens in andere Häuser natürlich auch – und das altersunabhängig. Allerdings waren die Strafen nicht allzu schlimm. Samstagnachmittag mussten sich die verknackten Schüler versammeln und Putzdienste
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