Totsein ist Talentsache (German Edition)
hätte nichts sagen sollen …“ Lachend
fällt Anna Sophie um den Hals: „Aber nein! Das ist super! Ich hab nur nicht
erwartet, jemals einen ernst zu nehmenden Modetipp von dir zu bekommen!“ Dann
schnappt sie die Sachen und verschwindet im Bad. Sophie verlässt indes die
Wohnung ihrer Tochter und ruft im Hinausgehen: „Ich wünsch euch einen schönen
Tag!“ Mit einem Lächeln setzt sie sich in den Liegestuhl auf der Terrasse und
überlegt sich Namen für die Enkelkinder. Mit so etwas kann man gar nicht früh
genug anfangen.
„Wo ist sie? Ich dachte, wir treffen Katja hier am
Stephansplatz? Wir warten jetzt schon mindestens 20 Minuten.“ Vier davon haben
Anna und Bernd ins Küssen investiert, weitere drei ins Flüstern feuriger
Liebesschwüre. Die restlichen dreizehn Minuten hat Anna damit verbracht,
möglichst lässige Begrüßungsworte an Katja einzustudieren.
„Katja hat
gerade geschrieben. Sie verspätet sich ein wenig. Wir treffen sie gleich im
Café unten. Sei nicht so zappelig. Du wirst sie sicher mögen. Und sie dich
auch“, sagt Bernd, während er das Telefon zurück in seine Hosentasche gleiten
lässt. Zweifelnd sieht Anna hoch in Bernds Augen. Sein liebevoller, leicht
amüsierter Blick lässt ihre Knie weich werden. Keine optimale Voraussetzung für
eine Konfrontation mit der Opposition.
Hand in Hand
bummeln Anna und Bernd Richtung Rotenturmstraße und genießen die warme Sonne,
die einen wunderschönen Sommer erahnen lässt. Vor einer Boutique bleiben sie
stehen und bewundern das hübsche Paar, das ihnen aus der Auslagenscheibe
entgegenstrahlt. Anna sagt: „Ich war eigentlich schon lange nicht mehr
einkaufen. Ich hab gar nicht mitbekommen, dass schon wieder Ausverkauf ist.
Schau, diese Hose kostet nur 1.499 Schilling! Und die Schuhe da… auf knapp
3.200 runtergesetzt! Ich glaube, ich brauch ein paar neue Sachen. Und ich meine
ausnahmsweise mal keine Bücher.“ Beseelt von diesem Gedanken schleift Anna den
wehrlosen Bernd von einem Schaufenster zum nächsten. Als sie vor ihrem
Stammcafé in der Rotenturmstraße ankommen, hat sie im Geiste einen Warenwert
von knapp 20.000 Schilling angehäuft und plant einen ausführlichen Umbau ihres
begehbaren Schranks.
Katja ist schon da. Sie sitzt an einem Tisch ganz
vorne. Der ist fürs Sehen und Gesehen werden und aufgrund der bequemen Eckbank
der beste Platz des Hauses. Wer braucht schon einen überfüllten Schanigarten,
wenn man sich in der klimatisierten Beschaulichkeit des fast leeren Gastraumes
viel entspannter unterhalten kann?
Mit einem nicht zu deutenden Lächeln erhebt sich
Katja. Und erhebt sich. Und erhebt sich. Als gefühlte 80 Kilogramm geballte
Weiblichkeit, verteilt auf 185 Zentimeter Körper, auf die beiden zusteuert, hat
Anna nur einen Gedanken: „Die pinkelt mir ans Bein, nachdem sie es gebrochen
hat.“ Mit einem Gesichtsausdruck, der keine Fragen mehr offen lässt, fasst
Katja sie an der Schulter, zieht sie ganz nah zu sich heran und flüstert: „Du
bist also der Grund, dass ich meinen besten Freund kaum noch sehe.“ Gerade, als
Anna bezüglich ihres Schrankraums umdisponiert und stattdessen einen Sarg
entwirft, drückt Katja sie fest an sich und ruft: „Ich freu mich so für euch!
Bernd spricht nur noch von dir. Ist manchmal schon fast kitschig. Aber besser
als dieses ewige Gejammer, dass er nie die Richtige finden wird. Ich hab ja
schon Angst gehabt, dass er übrig bliebt und ich ihn aus Mitleid und reiner
Herzensgüte heiraten muss.“ Lachend umarmt sie Bernd, während Anna versucht,
ihr Blut aus den Beinen zurück in ihren Körper zu meditieren. Angestrengt
überlegt sie, ob da nicht das eine oder andere Tropferl ins Höschen gegangen
ist. Jo würde sich freuen.
„Also, Anna. Das
ist Katja. Die Schwester, die ich fast gehabt hätte.“
Vor neun Jahren
hat Bernds Mutter ein Mädchen zur Welt gebracht und ihr spätes Glück gar nicht
fassen können. Stella ist Sonnenschein und Mittelpunkt der ganzen Familie
gewesen. Ein Jahr lang. Dann ist der kleine Stern erloschen. Einfach so.
Zerrissen von unsäglichem Schmerz und fast wahnsinnig vor Verzweiflung haben sich
die Eltern erst vollkommen zurückgezogen und dann wie besessen auf ihre
Karriere gestürzt. Bernd hat seine Trauer in Unmengen von Alkohol ertränkt. In
dieser blauen Periode hat er Katja Stiegl kennengelernt. Sie ist eine der
ersten am Unfallort gewesen, als er sein Auto betrunken gegen einen Baum
gefahren hat. Nachdem sie ihm erst eine Aussage und dann den
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