Totsein ist Talentsache (German Edition)
ein romantisches Abendessen
inklusive Kutschenfahrt durch die Innenstadt, um sie wieder für sich zu
gewinnen. Junge Liebe verzeiht schnell. Anna meistens auch.
Kurz darauf hat Anna Gelegenheit zur Revanche bekommen. Nämlich, als
sie entdeckt hat, dass ihr Freund ein leidenschaftlicher, aber ziemlich
unfähiger Heimwerker ist. Der Anblick der verkehrt montierten Steckdosen in
Bernds Wohnzimmer hat sie ebenso berührt wie die Türen des Kleiderschranks, die
bemitleidenswert schief in den Angeln gehangen sind: „Als Arzt bist du sicher
geschickter. Oder?“ Anstatt einer Antwort hat sich Bernd mit einem waidwunden
Blick in die Küche zurückgezogen. Dort hat er sich auf seine wahren Stärken
besonnen und Anna mit allem bekocht, was die Speisekammer hergegeben hat.
Seither hat sie die Hosen an und er die Schürze um. Für Bernd ist das kein
Problem. Er hat beschlossen, dass er lieber jeden Tag glücklich ist, als im
Recht.
Seit mehr als
einem Monat ist Anna verliebt, Bernd entzückt und Sophie im siebten Himmel.
Sogar Jo gibt sich versöhnlich. Anfangs hat er noch offen gegen seinen Rivalen
rebelliert, doch seit Anna mit dem Entzug ihrer Gunst sowie diverser
Wäschestücke gedroht hat, reißt er sich zusammen. Er hat erkannt, dass er keine
Chance gegen Bernd hat. Wenn es so etwas wie die einzig wahre Liebe gibt, dann
haben die beiden sie für sich gepachtet. Im Grunde hat Jo schon immer gewusst,
dass er nicht bei Anna landen kann. Das hat er auch nie ernsthaft gewollt. Aber
das Geplänkel hat Spaß gemacht und fehlt ihm nun. Und ihm wird schmerzlich
bewusst, dass er im Grunde sehr alleine ist.
An der Wohnungstür ruft Anna nach ihrer Mutter und
flüstert dann: „Ich lenk sie ab, dann kommst du schneller hier raus. Tut Leid
wegen letztem Mal … Seit sie mich nicht mehr verkuppeln kann, ist ihr
langweilig. Dass du dafür büßen musst, ist nicht gerecht.“ Jo erinnert sich mit
Schaudern. Sophie hat ihn vor einigen Tagen im gestreckten Galopp erwischt. Ihr
Plan: Eine jener höheren Töchter, die aufgrund optischer oder intellektueller
Mängel so gar nicht an den Mann zu bringen sind, zumindest bei Jo anzubringen.
Er hat damals nach einer Stunde weinend die Wohnung verlassen und ernsthaft
erwogen, die Laufbahn eines Kastraten oder Mönchs einzuschlagen.
Heute hat Jo
Glück. Anna kann Sophie in ihre Wohnung ziehen, als sie gerade mit den Worten:
„Ich hätte da noch eine sehr aparte Arzttochter!“ auf ihn losstürmt. Als
„apart“ bezeichnet man einen Menschen, für den einem die Worte fehlen.
Zumindest, wenn man etwas halbwegs Nettes über ihn sagen will. Genau das
erklärt Anna ihrer Mutter auch: „Jo ist vielleicht nicht der schönste Mann auf
Erden. Und ganz bestimmt nicht der reichste. Aber er hat was Besseres verdient
als so einen Autounfall mit Brüsten und dem Intellekt einer Leberkässemmel. Sei
froh, dass du dir keine Sorgen mehr um meinen Jungfernstand machen musst! Du
bist raus aus dem gesellschaftlich anerkannten Menschenhandel. Lass Jo in Ruhe
und hilf mir lieber. Ich lerne heute Bernds beste Freundin kennen. Sie soll
eine recht … hmmm, resche Person sein. Da ist mein Auftritt wichtig. Er muss
laut sagen ´Lass uns Freundinnen sein´ und leise ´Wenn du mir ans Bein
pinkelst, brech ich dir deines´.“
Während die beiden Annas Schrankraum durchforsten,
gerät Sophie wieder mal in Fahrt. Kaskadenartig sprudeln Lobeshymnen auf Bernd,
immer gefolgt von der eindringlichen Mahnung, dieses Geschenk der Götter ja
nicht durch eine sagenhafte Dummheit zu vergraulen. Anna ist manchmal ein wenig
genervt deswegen. Sie weiß sehr genau, was sie an Bernd hat. Und sie ist so
vernarrt in ihn, dass sie sich ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen
will. Aber Sophie wirkt in letzter Zeit so ausgeglichen und zufrieden mit sich
und der Welt. Sogar Friedrichs ständige Abwesenheit scheint ihr nicht mehr so
zuzusetzen. Wenn diese Ansprachen der Preis für den Seelenfrieden ihrer Mutter
sind, so ist Anna gerne bereit, ihn zu zahlen. Wer weiß, wie lange sie Sophie
noch hat. Immerhin geht sie schon auf die 53 zu. Im Gegensatz zu ihrer Mutter
zweifelt Anna ernsthaft an der konservierenden Wirkung von Alkohol.
„Wie wäre es mit
der 7/8-Jean und diesem Tunika-Bluserl? Und Sandalen dazu. Die Blümchen haben
etwas mädchenhaft-zartes. Und eine Jean kombiniert mit solchen Schuhen steht
für Selbstbewusstsein und Lässigkeit.“ Anna sieht ihre Mutter mit aufgerissenen
Augen an. „Oder nicht? Entschuldigung. Ich
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