Totsein ist Talentsache (German Edition)
schon
unsympathisch gemacht.
Sophie hingegen spricht immer sehr freundlich von
Schmid. Und so schwer nachvollziehbar ihre Gedanken auch manchmal sind, sie
besitzt doch meist eine recht gute Menschenkenntnis. Irgendwas Gutes muss also
in dem Kerl stecken. Vielleicht hat er ja tatsächlich einen Plan. Wie der
aussehen soll, weiß aber wahrscheinlich nicht mal er selbst so genau. Anna
beschließt, das Beste zu hoffen. Viel schlimmer kann es ja nicht mehr werden.
8. Juli 2012.
Geisterstunde.
Jo hält sich die Hand vors Gesicht. Nach den
Pfefferkörnern treibt ihm nun die Deckenbeleuchtung Tränen in die Augen. Es ist
jedoch nicht das grelle Licht, das ihn zum Weinen bringt, sondern die Tatsache,
dass er endlich wieder mehr sehen kann als nur die groben Umrisse seiner
Umgebung. Die letzten zwei Tage haben Katja und er gemeinsam mit etwa fünfzig
anderen Leuten in feuchten Kellerverliesen verbracht. Ausstattung und Service:
bestenfalls mangelhaft. Die nachfolgende Mondscheinserenade mit den Untoten hat
auch nicht wesentlich zu seiner Erleuchtung beigetragen.
Als seine Augen sich an die Helligkeit gewöhnt haben,
sieht er sich um. Sie sind in eine Halle gebracht worden. Von der hohen Decke
hängen mehrere Kristalllüster, die mit riesigen Fenstern aus buntem Glas um die
Wette funkeln. An der linken Wand hat sich ein halblustiger Architekt
verwirklicht und eine Art Klopfbalkon für Schwergewichtsboxer anbringen lassen.
Ohne Tür, aber immerhin mit einer steinernen Wendeltreppe zur unfallfreien
Erreichbarkeit. Die Empore über dem mit einem schweren Holzbalken verriegelten
Portal bietet nicht einmal diese Annehmlichkeit. Der übrige Raum ist bis auf
einen einzelnen Schreibtisch, hinter dem eine ziemlich fette Frau sitzt,
beinahe vollkommen leer. Nur neben der unscheinbaren Pforte, durch die sie aus
dem Keller hereingebracht worden sind, stehen zahlreiche zusammengeklappte
Stühle und ein Rednerpult. Scheinbar hat hier erst vor Kurzem eine
Veranstaltung stattgefunden. Die Reste der prachtvollen Blumendekoration hat
man in eine Ecke gekehrt und lässt sie dort vor sich hinwelken.
Jo dreht sich zu Katja um. Sie hockt hinter ihm auf
dem Boden und schaut, als wollte sie irgendjemandem sehr, sehr wehtun. Sie hat
ihre Finger so fest ineinander verschränkt, dass die schmutzigen Knöchel spitz
und angriffslustig hervortreten. Als sie Jos Blick spürt, sieht sie zu ihm
hoch. Für einen Moment verwandelt sich ihre finstere Miene in ein Lächeln.
„Was für eine Frau! Und sie ist die meine! Zumindest
theoretisch.“
Bis auf die Küsse
vor ihrer Entführung hat es noch nicht sehr viele Zärtlichkeiten und auch
keinen verbindlichen Schwur ewiger Liebe und Treue gegeben. Irgendwie hat sich
keine Gelegenheit geboten. Aber das muss man wohl in Kauf nehmen, wenn man
entführt und eingekerkert wird, um als Lebendfutter für Zuchtzombies zu dienen.
Jo beschließt, sie so richtig niederzuschmusen, wenn das alles hier vorbei ist.
Vorher muss er allerdings Zähne putzen. Und noch vorher muss ein Wunder
geschehen.
Neben Katja kauern Anna und Bernd. Anna weint wieder.
Bernd redet beruhigend auf sie ein, aber er scheint seinen eigenen Worten kaum
Glauben zu schenken. Immer wieder sieht er hoch und blickt hilflos von einem
zum anderen. Nicht, weil er Angst hat. Sondern weil er nicht erträgt, dass Anna
leidet. Stumm presst er schließlich sein Gesicht in ihr Haar und drückt ihre
zitternden Hände. Die beiden passen gut zusammen, das muss sogar Jo zugeben.
Zufrieden stellt er fest, dass jeder Topf seinen Deckel gefunden hat. Das Leben
könnte so schön sein. Wo bleibt nur dieses verdammte Wunder?
Dabei hat es einige wenige Sekunden lang tatsächlich
den Anschein gehabt, als könnten sie sich aus ihrer Misere befreien. Dieser
Schmid hat schon Mumm in den Knochen. Einfach so auf die AFFEn loszugehen, und
das, obwohl er doch zu diesem kranken Verein zu gehören scheint. Und außerdem
nicht so wirkt, als hätte er Taktik und Verteidigung im Hauptfach studiert. Jo
sieht sich den Mann, der sie vom Regen unter Umgehung der Traufe direkt in die
Scheiße geführt hat, genauer an. Kerzengerade steht er neben Anna und Bernd und
starrt ins Leere. Ab und zu murmelt er ein paar Worte vor sich hin. Immer
wieder schüttelt er den Kopf. Als würde er an einer Rede feilen, die er vor dem
Vorsitzenden des Vereins zur Wiedereinführung und Erhaltung des Spanischen
Hofzeremoniells zu halten gedenkt. Sein grauer Anzug sitzt, als wäre er ihm auf
den Leib
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