Totsein verjaehrt nicht
missbraucht worden. Warum die Täter sie überhaupt mitgenommen hatten, blieb vorerst rätselhaft.
Ihr Körper war übersät von Hämatomen. Die Täter hatten mit Fäusten auf sie eingeschlagen, in den Unterleib, ins Gesicht, in den Nacken, was zu Quetschungen innerer Organe, Rippenbrüchen und einer schweren Gehirnerschütterung führte. Das Ausmaß ihrer Verletzungen übertraf das der anderen Opfer um ein Vielfaches.
Für Polonius Fischer grenzte es an ein Wunder, dass sie nicht erstickt war, an Blut, an Erbrochenem, an den drei Zähnen, die sie ihr ausgeschlagen hatten.
Die Ermittlungen im Zusammenhang mit den Raubüberfällen hatte er an seinen Kollegen Emanuel Feldkirch abgegeben. Zum ersten Mal in seinem Berufsleben war er persönlich befangen. An den Vernehmungen würde er trotzdem teilnehmen.
In der Gegend um den Tierpark und in Harlaching kontrollierten die Fahnder jede Straße, jedes Lokal, jede verdächtige Wohnung. Die Täter waren zu zweit, junge Männer, kaltblütig und gewaltbereit, die bei den Überfällen kaum ein Wort verloren. Den ersten Taxifahrer erstachen sie, als er sich wehrte. Ein Stich in die Kehle. Der vierundfünfzigjährige Mann verblutete, bevor der Notarzt eintraf. Der Überfallhatte keine fünf Minuten gedauert. Die anderen vier Fahrer hatten Glück, sie leisteten keinen Widerstand und wurden nicht getötet, nur niedergeschlagen, allerdings mit so roher Gewalt, dass drei von ihnen monatelang mit schweren Brüchen im Krankenhaus lagen.
Die Täter trugen keine Masken, sondern dunkle Brillen, Mützen und schwarze Kleidung, Windjacken, Jeans, billige Lederhandschuhe. Die Überfälle fanden in verschiedenen Stadtteilen statt, ein Muster, was die Orte betraf, war nicht zu erkennen. Vorgehensweise und Zeitpunkt aber waren gleich: nach zwei Uhr morgens, immer einzeln stehende Taxis. Erst tauchte ein Täter auf, dann der zweite. Der erste stieg vorn ein und schlug sofort zu, hart und präzise. Dieser Täter zerrte den halb bewusstlosen Fahrer auf den Beifahrersitz, während er hinters Lenkrad rutschte und der zweite Täter hinten einstieg. Sie fuhren in eine Seitenstraße, durchsuchten das Taxi und flüchteten. Vermutlich hatten sie ihr Auto in der Nähe geparkt und waren ziellos durch die Stadt gefahren, um nach einem Opfer Ausschau zu halten.
Zu den Spuren, die Fischers Kollegen an den Tatorten sicherstellten, fanden sie in den INPOL-Dateien keine Übereinstimmungen. Insgesamt betrug die Höhe der Beute rund fünfzehntausend Euro.
Was war in der Nacht zum letzten Sonntag geschehen? Warum hatten die Täter Ann-Kristin Seliger gekidnappt? Sie vergewaltigten sie nicht, sie töteten sie nicht. Was wollten sie von ihr?
Dunkel ragte seine mächtige Nase zwischen den hohen Wangenknochen hervor, sein Gesicht war schmaler geworden, grau und rissig, wie Liz fand. Sie sah ihm zu, wie er sich mit den Fingern durch die Haare strich, und konnte seine Anspannung kaum ertragen.
»Es muss eine Verbindung zwischen den Tätern und deiner Freundin geben«, sagte sie. »Sie wissen, dass du in der Mordkommission bist und Ann-Katrin und du ein Paar seid.«
»Das können sie nicht wissen.«
»Jeder weiß das, der euch kennt.«
Wieder neigte Fischer den Kopf von einer Seite zur anderen, was seiner Hakennase einen komischen Schwung verlieh. »Wir sollen in unserem Bekanntenkreis nach den Tätern suchen?«
»In Ann-Katrins. Du bist Kripobeamter, du hast keinen Bekanntenkreis.«
Wie ein sehr spezielles Damoklesschwert hing seine Nase über seinem Lächeln.
»Entweder war es ein Racheakt«, sagte Liz, »oder die Täter wurden bei dem gestört, was sie eigentlich vorhatten. Andererseits haben sie Ann-Kristin gefesselt und versteckt. Warum? Wollten sie zurückkommen? Wem gehört noch mal das Haus, in dem sie gefunden wurde?«
»Einem Erben«, sagte Fischer. »Einem angehenden Arzt aus Harlaching. Er hat sich jahrelang nicht um das Anwesen gekümmert, es stand leer, er hat es verfallen lassen. Angeblich will er das Haus jetzt abreißen lassen und das Grundstück verkaufen, weil er nach Amerika geht, die Verdienstmöglichkeiten seien dort besser als hier, sagt er. Emanuel und ich haben mit ihm, mit seiner Lebensgefährtin, mit seinem Freundeskreis gesprochen, keine Spur zu den Raubüberfällen. Ein Racheakt? Wo sollten sich welche Kreise überschneiden?«
»Bist du sicher, dass deine Freundin kein Foto von dir bei sich trägt und auch keins in ihrem Taxi hat?«
»Ich bin sicher.«
»Vielleicht ohne
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