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Totsein verjaehrt nicht

Titel: Totsein verjaehrt nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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»Ich möchte ihn kriminaltechnisch untersuchen lassen. Vielleicht finden wir Spuren des anderen Mantels darauf, das könnte für die Fahndung sehr wichtig sein.«
    »Meinen Mantel kriegst du nicht.«
    »Nur bis morgen Abend. Ich gebe dir dafür meinen Wollmantel. Du bekommst deinen Mantel wieder, das verspreche ich dir. Manchmal braucht man bei der Suche nach einem Täter Glück, manchmal kann man das Glück aus seinem Versteck locken, indem man die seltsamsten Spuren verfolgt. Der Besitzer des Mantels könnte sich als einer der Hauptverdächtigen herausstellen, und wenn meine Kollegen ihn finden, dann ist das auch dein Verdienst, Luggi.«
    »Gibts eine Belohnung?«
    »Möglich«, sagte Fischer. »Ich werde mich dafür einsetzen.«
    Luggi hielt das Bierglas fest und blickte vor sich hin. Zwischendurch riss er die Augen auf und ruckte mit dem Kopf.
    »Du kannst den Mantel testen«, sagte Fischer. »Du gehst nach draußen, eine rauchen und schaust, ob der Mantel warm genug für dich ist.« Was Fischer sagte, kam ihm aberwitzig vor. Seit einigen Minuten versetzte ihn die Vorstellung von den Mantelspuren in einen Zustand unbegreiflicher Zuversicht.
    Mit einem vor Verachtung überquellenden Blick sah Luggi den Kommissar an. »Bist du blöd? Schau ich aus wie einer, der vor die Tür zum Rauchen geht? Hörst du mir nicht zu? Ich rauch daheim.« Während er trank, ließ er Fischer nicht aus den Augen. Er hustete und klopfte sich auf die Brust. »Zeig mal her.«
    Fischer reichte ihm den Mantel über den Tisch. Luggi hieltihn am ausgestreckten Arm hoch, tastete ihn mit der anderen Hand ab, roch an ihm. Dann griff er in die Seitentasche, holte zwei an einem Ring hängende Schlüssel hervor und legte sie auf den Tisch. »Damit du draußen nicht erfrieren musst. Gib mir meinen Mantel rüber.«
    Nachdem er einen Schlüsselbund, seinen Pass, eine Schachtel Stuyvesant, ein Zippo, ein Notizheft und ein abgeschabtes silbernes Handy aus den Taschen gefischt hatte, warf er den dunkelbraunen Mantel über die Stuhllehne. »Morgen achtzehn Uhr. Sonst hol ich die Polizei.«
    Er stutzte, betrachtete das Feuerzeug, das er wie die anderen Dinge auf den Tisch gelegt hatte, nahm es in die Hand, schaute zum Nebentisch, an dem niemand saß. »Ziggi. Fällt mir grad wieder ein. Der Junge hat den andern Ziggi genannt. Genau.«
    »Ziggi«, sagte Fischer. »Fällt dir noch etwas ein? Noch ein Name.«
    »Nein. Morgen achtzehn Uhr. Pünktlich!«
    Die Textilkundler im Kriminaltechnischen Institut des Landeskriminalamtes würden den Stoff mit ihrem Spezialband Zentimeter für Zentimeter abkleben und auf Fasern untersuchen und diese mit den an den Tatorten sichergestellten Spuren vergleichen. Und vielleicht, mit etwas Glück, fanden sich im INPOL-System Übereinstimmungen mit den Daten bereits auffällig gewordener Täter.
    Das war es, was Fischer dachte, als er den Torbräu verließ, ohne zu bemerken, dass es aufgehört hatte zu regnen. Vom Handy aus rief er im Klinikum Großhadern an.
    »Alles ist ruhig«, sagte die Nachtschwester.
    Alles ist ruhig, sagte er vor sich hin auf dem Weg zu seinem Auto, alles ist ruhig.
    Alles war ruhig. Nur er nicht.
    Er fragte sich, ob er es je wieder sein würde.

8
»Das ist doch schon verjährt«
    Sie hatte die Arme zum Schutz gegen die Schläge hochgehalten, bis ihre Unterarme brachen.
    Sie hatte sich an einem der Täter festgekrallt, und er brach ihr vier Finger. Sie zertrümmerten ihr das Nasenbein und schlugen mit den Fäusten so lange auf ihren Kopf ein, bis sie das Bewusstsein verlor. Die Abdrücke der Knöchel waren deutlich zu erkennen. Die Fesseln drangen tief in die Haut, ihre Hände und Füße bluteten. Reste von eingetrocknetem Speichel führten zu der Vermutung, dass einer der Täter das Opfer bespuckt hatte. Keine Spuren sexueller Gewalt.
    Nur Gewalt.
    Unerklärbar, sagte Polonius Fischer zu Liz Sinkel, als diese im P-F-Raum in den Akten von Scarlett Peters blätterte. »Unerklärbar und unbegreiflich«, wiederholte er, »wie der Mord an Claus Socka. Warum genügte den Tätern die Beute nicht? Hatte Socka seinen Neffen erkannt? Welchen Plan verfolgten die Täter mit Ann-Kristin?«
    Darüber wollte Fischer gar nicht sprechen. Er erwartete keine Antworten oder Erklärungen. Er wollte einige Dinge aussprechen, vielleicht, um nicht still sein zu müssen.
    Auf die Frage, die Liz ihm gestellt hatte, hatte er geschwiegen, und Liz wunderte sich darüber. Schweigen entsprach nicht seiner Art. Trotzig fragte sie

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