Touchdown
»Déjà-vu, Kumpel. Hast du die Cleveland Post schon gesehen?«
»Nein. Die gibtʹs hier Gott sei Dank nicht.«
»Geh ins Netz und lies nach. Dieser Kotzbrocken war gestern in Rom.«
»Nein.«
»Fürchte doch.«
»Noch ʹne Reportage?«
»O ja, und genauso bösartig wie die erste.« Rick rieb sich die Kopfhaut und versuchte sich die Zuschauermenge im Lazio-Stadion ins Gedächtnis zu rufen.
Es waren sehr wenige Zuschauer gewesen, die sich auf der baufälligen Tribüne verloren. Nein, er hatte sich nicht die Zeit genommen, einzelne Gesichter zu studieren, außerdem wusste er sowieso nicht, wie Charley Cray aussah. »Okay, ich werdʹs lesen.«
»Es tut mir leid, Rick. So was hätte es nun wirklich nicht gebraucht. Wenn ich das Gefühl hätte, es könnte etwas nützen, würde ich bei der Zeitung anrufen und Krach schlagen. Aber es macht ihnen einfach zu viel Spaß. Am besten sollte man es ignorieren.«
»Wenn er sich noch mal in Parma blicken lässt, dreh ich ihm den Hals um. Ich bin hier dick Freund mit einem Richter.«
»Gut so. Bis später.«
Rick nahm sich eine Diätlimo, sprang kurz unter die kühle Dusche und stellte schließlich seinen Computer an. Zwanzig Minuten später glitt er in seinem Fiat durch den Verkehr und schaltete leicht und locker durch die Gänge wie ein echter Italiener. Treys Wohnung lag gleich südlich der Altstadt, im ersten Stock eines halb modernen Gebäudes, das darauf angelegt war, möglichst viele Menschen auf möglichst wenigen Quadratmetern unterzubringen.
Trey saß auf dem Sofa, das Bein auf ein paar Kissen gebettet. Das kleine Wohnzimmer ähnelte einer Mülldeponie -überall schmutziges Geschirr, leere Pizzakartons, einige Bier- und Limodosen. Im Fernsehen liefen alte Glücksrad-Sendungen und auf einer Stereoanlage im Schlafzimmer alte Motown-Nummern.
»Hab dir ein Sandwich mitgebracht.« Rick stellte eine Tüte auf eine noch freie Stelle des vollgemüllten Couchtischs. Trey schwenkte die Fernbedienung, der Fernseher wurde stumm.
»Danke.«
»Was macht das Bein?«
»Klasse«, sagte er mit tiefem Stirnrunzeln. Eine Krankenpflegerin kam dreimal am Tag, um ihn zu versorgen, vor allem mit Schmerzmitteln. Er fühlte sich sehr schlecht und klagte oft über Schmerzen. »Wie war das Spiel?«
»Leicht, haben mit fünfzig Punkten gewonnen.«
Rick ließ sich auf einem Sessel nieder und versuchte, die Unordnung zu ignorieren. »Dann hab ich euch also nicht gefehlt.«
»Lazio ist nicht besonders gut.«
Das lockere Lächeln und die Unbekümmertheit waren verschwunden, Missmut und jede Menge Selbstmitleid an ihre Stelle getreten. Die fast zwangsläufige Folge eines offenen Knochenbruchs bei einem jungen Sportler. Die Karriere, wie auch immer Trey sie definiert haben mochte, war vorbei, und die nächste Lebensphase stand bevor. Wie die meisten jungen Sportler hatte sich Trey kaum Gedanken über diesen nächsten Schritt gemacht. Wenn man sechsundzwanzig ist, wird man noch in hundert Jahren spielen. »Kümmert sich die Krankenschwester anständig um dich?«, fragte Rick. »Sie ist gut. Mittwoch kriege ich einen neuen Gips, Donnerstag flieg ich. Ich muss dringend nach Hause. Hier werd ich verrückt.«
Lange starrten sie auf den stummen Bildschirm. Rick war jeden Tag zu Besuch gekommen, seit Trey das Krankenhaus verlassen hatte, und die winzige Wohnung wurde immer kleiner.
Vielleicht lag es an dem sich stapelnden Müll oder an der ungewaschenen Wäsche oder daran, dass die Fenster ständig geschlossen und verhängt waren. Vielleicht lag es auch schlicht daran, dass Trey immer mehr in seiner düsteren Stimmung versank. Rick hörte mit Erleichterung, dass er schon so bald abreisen würde.
»In der Defense hab ich mich nie verletzt«, sagte Trey, auf den Fernseher starrend. »Ich bin ein Defensive Back, hab mich nie verletzt. Dann stellt ihr mich in die Offense, und jetzt lieg ich hier.« Er klopfte laut auf den Gips, um die dramatische Wirkung seiner Worte zu verstärken.
»Du gibst mir die Schuld an deiner Verletzung?«
»In der Defense bin ich nie verletzt worden.«
»Das ist doch dummes Zeug. Willst du behaupten, dass sich nur Angriffsspieler verletzen?«
»Ich red nur von mir.«
Rick war empört und wollte das eigentlich auch äußern, aber stattdessen schluckte er, atmete tief durch, sah den Gips an und ließ es gut sein. Nach einer Weile sagte er: »Wollen wir heute Abend ins Polipo, Pizza essen?«
»Nein.«
»Soll ich dir eine Pizza herbringen?«
»Nein.«
»Ein
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