Touchdown
Atemberaubend.« Weit über ihnen, in der Gewölbedecke, war es dem alten Correggio irgendwie gelungen, eine fantastische Darstellung der von Engeln umgebenen Maria zu malen. Liwy sah aus, als würde sie jeden Moment von Gefühlen übermannt werden. Rick tat der Nacken weh vom Hochgucken.
Sie schlurften durch das Hauptschiff, die Krypta, die zahlreichen Erker und standen andächtig vor den Grabkammern uralter Heiliger. Nach einer Stunde brauchte Rick dringend Sonnenlicht.
Als Nächstes war das Baptisterium dran, ein hübsches achteckiges Gebäude in der Nähe des Duomo, wo sie lange regungslos vor dem Nordportal standen, dem Portal der Jungfrau. Kunstvoller Figurenschmuck über der Tür stellte Ereignisse aus dem Leben Maria dar. Liwy schlug in ihren Notizen nach, schien jedoch mit den Details vertraut zu sein.
»Warst du schon mal hier?«, fragte sie.
Hätte er wahrheitsgemäß »Nein« gesagt, würde sie ihn für einen Kulturbanausen gehalten haben. Hätte er gelogen und »Ja« gesagt, wäre es aber auch egal gewesen, denn Liwy war in Gedanken bereits bei der nächsten Sehenswürdigkeit. Tatsächlich war er schon hundertmal dran vorbeigekommen und wusste, dass es sich um eine Taufkapel le handelte. Er war sich nicht ganz sicher, welchem Zweck Taufkapellen heutzutage dienten, gab aber vor, Bescheid zu wissen.
Sie sprach leise, fast wie zu sich selbst, was sie auch ohne Weiteres hätte tun können. »Vier Reihen in rotem Veroneser Marmor. Baubeginn 1196, im Übergang von der Romanik zur Gotik.« Sie machte einige Fotos von der Fassade, dann führte sie ihn ins Innere, wo sie in eine weitere Kuppel hinaufstarrten. »Byzantinisch, dreizehntes Jahrhundert«, sagte sie. »König David, die Flucht aus Ägypten, die Zehn Gebote.« Er nickte wieder, sein Nacken wurde allmählich steif.
»Bist du katholisch, Rick?«, fragte sie.
»Lutheraner. Und du?«
»Gar nichts eigentlich. Die Familie gehört irgendeiner protestantischen Richtung an. Ich steh trotzdem auf diese Sachen, die Geschichte des Christentums und die Ursprünge der Kirche. Ich liebe die Kunst.«
»Es gibt jede Menge alter Kirchen hier«, sagte er. »Alle katholisch.«
»Ich weiß.« Das konnte man wohl sagen. Vor dem Mittagessen besuchten sie noch die Renaissancekirche San Giovanni Evangelista, auch sie im religiösen Zentrum Parmas gelegen, und die Kirche San Francesco del Prato. Nach Auskunft von Liwy handelte es sich dabei um »eines der bemerkenswertesten Beispiele franziskanisch-gotischer Architektur in der Emilia.« Das einzig interessante Detail war für Rick, dass die wunderschöne Kirche einst als Gefängnis benutzt worden war.
Um ein Uhr bestand er auf Mittagessen. Sie fanden einen Tisch bei den Sorelle Picchi an der Strada Farini, und während Rick die Speisekarte studierte, machte Liwy sich weiter Notizen. Bei anolini - den besten der Stadt, wie Puck behauptete - und einer Flasche Wein unterhielten sie sich über Italien und die Orte, an denen sie schon gewesen war. Seit acht Monaten in Florenz, hatte sie bereits elf der zwanzig italienischen Regionen besucht, oft ganz auf eigene Faust an den Wochenenden, weil ihre Mitbewohnerinnen entweder zu faul, zu desinteressiert oder vom Feiern zu angeschlagen waren. Eigentlich hatte sie das Ziel gehabt, alle Regionen zu sehen, aber jetzt lief ihr die Zeit davon. In zwei Wochen standen die Prüfungen an, dann waren ihre langen Ferien vorbei.
Statt einen Mittagsschlaf zu halten, nahmen sie die Kirchen San Pietro Apostolo und San Rocco in Angriff, anschließend spazierten sie durch den Parco Ducale. Sie machte Fotos und Notizen und nahm die Geschichte und Kunst in sich auf, während Rick wie ein Schlafwandler tapfer immer mittrottete. Im Sonnenschein und dem warmen Gras des Parks brach er dann zusammen, lag mit dem Kopf auf ihrem Schoß, während sie eine Karte der Stadt studierte. Als er wieder aufwachte, konnte er sie endlich überreden, zurück in seine Wohnung zu gehen, um ein anständiges Schläfchen zu halten. Im Polipo, nach dem Training am Freitagabend, war Liwy die Hauptattraktion. Ihr Quarterback hatte ein reizendes amerikanisches Mädchen gefunden, ein ehemaliges Cheerleader-Girl noch dazu, und die italienischen Jungs waren eifrig darauf bedacht, sie zu beeindrucken. Sie sangen schlüpfrige Lieder und tranken krügeweise Bier. Die Geschichte von Ricks durchgeknallten Ausflug nach Cleveland, um Charley Cray k. o. zu schlagen, war bereits zur Legende geworden. Die Nacherzählung, von Sam in
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