Touched
sein, zu spüren, wie der Schnee auf meiner Haut schmolz, durchfuhr mich. Wenn ich lange genug blieb, konnte ich diese Wälder im Herbst erforschen, wenn sich ihr Laub rot und golden färbte. Doch wenn ich an die Zukunft dachte, schrillten Alarmglocken in meinem Kopf.
Ach, was soll’s, entschied ich und lehnte die Stirn an die kalte Scheibe. So lange dauerte ein Monat auch wieder nicht.
Kaum hatte ich den Kopf auf das Kissen gelegt, schlief ich ein. Ich schreckte mitten aus einem Albtraum hoch, in dem Dean mich in einem Flur ohne Türen in die Enge getrieben hatte. Inzwischen war es dunkler im Raum. Gerade hatte ich mich wieder erinnert, wo ich war, als ich hörte, wie sich zu leisem Gemurmel unvertrauter Stimmen meine Zimmertür öffnete. Es war nicht Dean, der mich aus dem Schatten heraus beobachtete, es waren Ben und Laura, die nach mir sehen wollten. Ich gab vor zu schlafen, und sie gingen wieder, ohne mich zu stören.
Der Albtraum machte es unmöglich, dass ich noch einmal einschlief. Unruhig und nervös fürchtete ich mich vor jeder schattenhaften Silhouette. Ich wartete, bis im Haus Ruhe eingekehrt war. Dann stieg ich aus dem Bett und schlich mich in die Küche, wo ich nach den Messern suchte und sie in der dritten Schublade von links schließlich fand. Vor fünf Monaten hatte ich angefangen, mit einem Steakmesser unter dem Kissen zu schlafen. Ich brauchte dieses kleine Gefühl der Sicherheit. Zurück in meinem Zimmer fuhr ich mit dem Finger die gezackte Kante entlang. Ich wusste nicht, ob ich wirklichdavon Gebrauch machen würde, aber ich fühlte mich besser so. Erschöpft schloss ich die Augen vor den Schatten.
Ich fiel in einem traumlosen Schlaf und wachte davon auf, dass sich jemand auf mein Bett plumpsen ließ.
Ich öffnete die Augen einen Spalt und sah ein Mädchen in meinem Alter, das mich betrachtete. Lucy besaß Lauras herzförmiges Gesicht und braune Augen, aber Bens schwarzes Haar, das sich zu engen Locken kringelte anstatt zu unentschlossenen Wellen wie meines. Ich zog mir die Decke über den Kopf, um sie und einen Anflug von Neid zu verbannen. Es war zu früh am Morgen, um mich mit meiner neuen Familie zu befassen. Morgen. Ich hatte einen ganzen Tag und eine ganze Nacht durchgeschlafen.
»Wie viel Uhr ist es?« Meine Stimme klang mürrisch.
»Sieben.« Sie klang fröhlich und guter Dinge. »Wir haben uns so allmählich gefragt, ob du je wieder aufwachst. Dad hat mich als eine Art Weckdienst geschickt. Außerdem soll ich dir ausrichten, dass er morgen mit zur Highschool kommt, um dich anzumelden. Wenn du dich fit genug fühlst.«
Stöhnend setzte ich mich auf. Das Mädchen hatte sich nicht vom Fleck gerührt und offensichtlich auch nicht vor zu gehen. Ich schätzte sie auf ein Jahr jünger als mich, da ich Bens Erstgeborene war.
»Ich bin Remy.«
Deine Schwester. Als sie sich bewegte, streifte ihr Knie meine Wade. Ich nutzte das, um eine kurze Bestandsaufnahme bei ihr zu machen und zu sehen, ob sie an einer verborgenen Krankheit litt, die mir zu schaffen machen könnte. Nichts. Bis auf ihre nervige Morgenfröhlichkeit, gesund!
Sie nickte. »Ich weiß. Ich habe darauf gewartet, dass du aufwachst.«
»Tut mir leid. Es war eine harte Woche.«
Sie studierte mich mit ernsten braunen Augen. »Dad hat uns erzählt, was passiert ist. Möchtest du darüber reden?«
»Äh, nein.« Mal ernsthaft, musste diese Familie denn auch wirklich alles und jedes durchkauen?
Lucy lächelte und wickelte eine Locke um ihren Finger. »Schon okay. Wir freuen uns, dass du hier bist. Übrigens, ich bin Lucy. Wir sind Schwestern.«
Sie klang gar nicht verstört. Nein, zu meiner Überraschung klang sie ausgesprochen vergnügt. Als ich aufstand und sie überragte, wie ich es bei Laura auch getan hatte, erhob sie sich. Ich musste Ben dankbar dafür sein, dass er mir Gene weitergegeben hatte, die mich neben den meisten Frauen zu einer Amazone machten. Ich flüchtete in das Badezimmer, das an mein Zimmer grenzte, und erwartete so halb, sie würde mir folgen. Auf der gegenüberliegenden Seite der Dusche befand sich eine weitere Tür, die wohl in Lucys Zimmer führte.
Die Badezimmertür dämpfte ihre Stimme. »Du gehörst wohl zu den Morgenmuffeln wie Dad auch, oder? Er sagt, bevor er nicht seine erste Tasse Kaffee getrunken hat, darf ich ihn nicht vollquasseln.«
Gute Regel. Als ich ein paar Minuten darauf die Badezimmertür wieder öffnete, entdeckte ich, dass Lucy gerade durch meine wenigen Habseligkeiten
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