Touched
konzentrierte, meine Verletzungen zu heilen. Noch einmal durfte ich nicht schwach werden. Und würde es auch nicht.
Ich wachte davon auf, dass mich jemand rüttelte, und scannte die Person, bevor ich die Augen aufschlug. Ben.
»Remy, wach auf, Schatz.«
Er klang aufgeregt. Ich setzte mich auf und schob mir das Haar aus dem Gesicht. Ben machte das Licht an und setzte sich neben mich aufs Bett. Er konnte mir nicht ins Gesicht sehen. Laura stand in der Tür, die müden Augen blickten traurig. Beide trugen Morgenmäntel, als hätten sie schon im Bett gelegen. Seit meiner Ankunft in Blackwell Falls hatte ich sie noch nie so bekümmert erlebt.
»Schatz, es geht um deine Mutter. Anna liegt im Krankenhaus.«
Ich hörte die Worte, aber sie drangen nicht gleich zu mir durch.
»Der Hausverwalter wollte die Miete eintreiben und hat sie gefunden. Anscheinend hat sie sich letzte Woche eine Kopfverletzungzugezogen, die unbehandelt blieb. Heute ist sie zusammengebrochen und liegt jetzt im Koma.«
Er drückte mir die Hand, aber ich zog sie weg. Ich hatte gewusst, dass es nur eine Frage der Zeit war, ehe ihr Dean wieder etwas antat, und doch hatte ich sie ihrem Schicksal überlassen. »Kommt sie wieder auf die Beine?«, fragte ich mit kalter Stimme.
Sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich, und ich hatte meine Antwort.
»Woher weißt du es denn?«
»Vom Krankenhaus. Anna hat mich aus irgendeinem Grund als Notfallkontakt angegeben.«
Das war vollkommen logisch. Ich war zu jung und Dean hätte sie nie gewählt. Er war ja fast immer der Grund, wieso sie überhaupt Hilfe brauchte. Wenn ihr etwas zustieß, dann wollte sie, dass Ben es wusste und es mir beibringen konnte.
Ben und Laura sahen mich an. Sehr wahrscheinlich waren sie ziemlich überrascht, dass ich auf fast unnatürliche Weise die Fassung bewahrte. Sie wussten nicht, dass ich bewusst an der Oberfläche blieb, um nicht völlig durchzudrehen. Ich machte keinen Versuch, sie aufzuklären. Im Vergleich zu Annas Leiden war ihre Sorge zweitrangig.
»Ihr müsst mich zu ihr bringen.«
Ben erhob sich. »Natürlich. Ich habe schon beim Flughafen angerufen. Wir nehmen den Flieger in Portland um acht Uhr früh.«
Als ich nickte, ließen sie mich allein, damit ich mich anziehen konnte.
Am Nachmittag nahmen Ben und ich ein Taxi zum Krankenhaus, dieselbe Strecke, wie vor einem Monat, nur andersherum. So eine kurze Zeitspanne, doch mein Leben hatte sich auf radikale Weise verändert.
Meine Gedanken konzentrierten sich auf Anna. Ich fragte mich, wann Dean sie zusammengeschlagen hatte und ob die Polizei wusste, wen sie dafür verantwortlich machen musste. Wohl kaum, schätzte ich, da sich Anna immer als ausgezeichnete Lügnerin erwiesen hatte, wenn es um ihren Mann ging, und ich sie darin unterstützt hatte, indem ich die Anzahl der Krankenhausaufenthalte begrenzte.
Bei unserer Ankunft wurden wir auf die Intensivstation geführt. Ein Arzt erklärte uns, Annas Zustand sei unverändert. Da sie nicht rechtzeitig behandelt worden war, hatte sich die Schwellung in ihrem Gehirn vergrößert und sie war ins Koma gefallen. Sie wussten nicht, ob meine Mutter je wieder aufwachen würde.
Mich ließen sie zuerst zu Anna. Eine Krankenschwester mahnte mich, nicht länger als die vorgesehene Viertelstunde zu bleiben, und ging dann leise nach draußen. Die einzigen Geräusche in dem Raum stammten von den Maschinen, die Annas Vitalfunktionen überwachten.
Ich war froh, dass ich mit ihr allein sein durfte. Die waghalsige Aktion, die ich ins Auge gefasst hatte, musste ohne Zeugen stattfinden. Wenn ich es schaffte, Anna zu heilen, fiel ich unter Umständen in einen Zustand, den mein Körper eventuell nicht mehr heilen konnte. Und wofür? Für eine Mutter, die zugelassen hatte, dass mich ihr Mann als Punchingball benutzte.
An ihrem Bett betrachtete ich sie forschend. Man hatte ihr das braune Haar aus dem Gesicht gestrichen, und ihre zarte Haut war blass. Unter ihren geschlossenen Augen hatten sich tiefschwarze Ringe gebildet. Wochenalte grüne und gelbe Prellungen zeigten sich rund um das Kinn.
Ich holte tief Luft und legte ihr vorsichtig die Hand auf den Unterarm. Nach der Wanduhr blieben mir noch 13 Minuten. Ich ließ meine Energie sich entwickeln, bevor ich sie spiralförmig zu ihr hinüberschickte. Zunächst heilte ich die sichtbaren Prellungen an ihrem Kinn, weil ich Deans direkte Markierung nicht ertrug. Dann bewegte ich mich weiter zu ihrer Kopfverletzung, wobei ich mit Schwierigkeiten
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