Touched
du wusstest, dass du diesem Schmerz ausgesetzt sein würdest, und ich habe es zugelassen. Und zum Dank habe ich dich angegriffen!«
Ich brauchte Abstand, um nachzudenken. Als ich mich gegen seine Brust stemmte, schien er zu verstehen, half mir zurück auf den Beifahrersitz und hüllte mich gegen die Kälte wieder in seine Jacke. Beinahe bedauerte ich, mich umgesetzt zu haben. Gefährlich oder nicht, Asher war der Erste, der sich nach einer Heilung um mich kümmerte.
Sein Kiefer spannte sich an, und seine Augen nahmen einen harten Ausdruck an.
Ich hatte ihm nicht geantwortet und wusste auch nicht, was ich sagen sollte.
Mit ausdrucksloser Stimme meinte er: »Hast du dir je überlegt, dass ich anders bin als du? Dass ich tatsächlich das Gegenteil von dir bin? Du fühlst zu viel. Sogar wenn du deine Fähigkeiten anwendest, arbeitest du mit Gefühlen – mit Berührungen!«
»Und wie machst du das?«
»Remy, ich kann überhaupt nichts fühlen. Dieses Auto, das Wasser im Schwimmbecken, mein nasses Haar, die warme Luft, die aus dieser Lüftung kommt.«
Ich erstarrte. »Das verstehe ich nicht. Als du dir die Handverbrannt hast, da hattest du doch Schmerzen! Das kannst du doch nicht bestreiten!«
»Tue ich ja auch gar nicht.«
Aus Frustration wurde mein Ton schärfer. »Das macht doch gar keinen Sinn! Entweder du fühlst was, oder du tust es nicht. Wenn du mich berührst, dann …«
Ich erinnerte mich daran, wie er am Strand ausgesehen hatte. Wie er in der Schule aussah. Lachend und umringt von Menschen, schaffte er es irgendwie, einsam auszusehen. Unnahbar. Unerreichbar. Bis ich meine Abwehr senkte und meine Energie zu ihm losschickte. Bis er mich berührte. Dann sah er aus, als hätte er Schmerzen.
Ich setzte mich so, dass ich ihn ansehen konnte.
Er reagierte mit einem humorlosen Lachen, als könne er im Dunkeln meinen Gesichtsausdruck erkennen. »Du hast es erfasst. Ich empfinde rein gar nichts, außer du bist in der Nähe.«
»Wie kann das sein?«, flüsterte ich.
Als würde er zu sich selbst sprechen, senkte er die Stimme. »Ich schlendere am Strand entlang, und da erscheinst du aus dem Nichts und siehst so verdammt zerbrechlich aus. Ich wollte wissen, wer dich verletzt hatte, wollte denjenigen in Stücke reißen. Als ich dich fotografierte, hoffte ich, du würdest aufsehen und mich ansprechen. Stattdessen hattest du es auf meine Kamera abgesehen, und ich begriff, wie sehr ich mich geirrt hatte. Du mochtest mit Blutergüssen übersät sein, aber zerbrechlich warst du deshalb noch lange nicht. Du bist eine Kriegerin, Remy. Ich musste dich kennenlernen.«
»Aber es hat sich etwas verändert. Ich habe gespürt, dass du dich verändert hast.«
»Stimmt. Bis zu dem Augenblick, als du deinen Schutzwall gesenkt hast und ich deine Macht spürte, wusste ich nicht, weroder was du warst. Ich hätte dich umbringen können. Du bist meine Feindin.«
Er sprach nicht in der Vergangenheit. Also betrachtete er mich noch immer als Feindin, nach allem, was geschehen war. »Du hast das Ganze angefangen«, schnauzte ich. »Wieso bist du hinter mir her? Wieso bist du mir heute Abend gefolgt, wenn ich von der dunklen Seite stamme?«
»Aus Neugierde? Du bist anders als andere Heilerinnen.«
Er zuckte die Achseln, und ich hätte ihm am liebsten eine runtergehauen. Meine Gefühle waren Achterbahn gefahren, und ihn hatten lediglich meine Fähigkeiten neugierig gemacht! »Ach, wirklich? Und wieso bist du mir dann ins Becken nachgesprungen? Übertreibst du es da mit der Neugierde nicht ein bisschen?«
Er senkte den Blick. »Das war ganz spontan. Wenn du in der Nähe bist, fühle ich so viel. Das wollte ich nicht aufgeben, aber jetzt muss Schluss damit sein. Du beeinträchtigst mein Urteilsvermögen, und das kann ich nicht zulassen. Hier geht es schließlich nicht nur um mich.«
Er spielte auf seine Familie an. Er wollte seine Familie schützen. Das konnte ich ihm nicht verübeln, ich hätte genauso reagiert.
»Und was jetzt?«, fragte ich. »Wir haben versucht, einander wie Luft zu behandeln. Und das hat ja wirklich prima geklappt.« Ich machte eine Geste, die uns beide in seinem Auto umfasste, unser Haar noch nass vom Schwimmbad.
»Ich kriege das schon hin. Wir haben keine andere Wahl.«
»Hätten wir schon«, sagte ich. Nur wollte eben keiner von uns seine Familie einem Risiko aussetzen.
Er drehte sich zu mir, und angesichts seiner zornigen Miene blieb mir die Luft weg. »Kapierst du’s denn immer noch nicht, Heilerin?
Weitere Kostenlose Bücher