Touched
Entkommen. Du bist meine Heilerin!«
Ich riss die Augen auf. Dass er so viel preisgeben würde, hatte ich nicht erwartet. Auch wenn ich ihn zuerst als meinen Beschützer tituliert hatte, begehrte etwas in mir bei seinen Worten unwillkürlich auf. Sein ernster Blick ließ keinen Zweifel an seiner Absicht, mich zu beschützen.
Keine Chance, dachte ich. Ich gehöre niemandem. Ich kann selbst auf mich aufpassen.
Ashers sarkastischer Unterton schrabbte an meinen Nervenenden entlang. «Wie du auch in puncto Dean auf dich aufpassen konntest? Der hätte dich beinahe gekillt!«
Mein Einwand blieb mir im Mund stecken, als mir aufging, dass ich meine Gedanken gar nicht laut ausgesprochen hatte, er darauf aber so reagiert hatte, als wäre das der Fall gewesen. Das konnte nicht sein. Unmöglich.
Ich sah Asher an und wartete. Liest du meine Gedanken?
Nach kurzem Zögern nickte er.
Ich sackte auf meinem Stuhl zusammen, als ich mich an den Abend von Brandons Unfall und die Male davor erinnerte, als sich meine Gedanken um ihn gedreht hatten. Um meine wachsenden Gefühle für ihn. Bei dem Gedanken, dass er das alles mitbekommen hatte, packte mich das kalte Grausen.
Wie lange? Wie lange geht das schon?
»Seitdem du mich geheilt hast, immer mal wieder.«
Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken und meine Gedanken hätten ihn eigentlich versengen müssen. Nach einem Augenblick hob er die Hand, um den geistigen Angriff zu stoppen.
»Remy!« Er schloss die Augen und rieb sich die Stirn, als hätte er Kopfschmerzen. »Ich habe mir das nicht ausgesucht. Das weißt du auch. Je länger wir einander nahe sind, desto mehr verändern wir uns. Du fühlst das, das weiß ich.«
Das ließ sich nicht abstreiten. Nach seinen ständigen Vorstößen waren meine mentalen Mauern flexibler geworden, und jene andere Fähigkeit – die furchterregende Fähigkeit, Schmerz und Energie wieder auf jemand anderen umzuleiten – hatte sich auch noch gesteigert. Er hatte mich verändert, ohne Zweifel. Dennoch spürte ich, dass er noch etwas anderes meinte.
Ich bemühte mich, meinen Kopf in eine Einöde zu verwandeln, um ihn auszuschließen.
Seine Augen fokussierten mich und er lächelte. »Du gibst aber auch keinen Millimeter nach, was?«
»Was willst du mir sagen?«
»Dass es nur eine Frage der Zeit ist, ehe die Beschützer von dir erfahren. Es grenzt schon an ein Wunder, dass du es so lang allein gepackt hast. Ich wollte nichts für dich empfinden, aber das ist kein Thema mehr. Ich bin ein Beschützer, Remy. Du bist eine Heilerin. Du könntest die sein, von der wir gehört haben, die, die uns wieder sterblich machen könnte. Ich warne dich lieber gleich, dass ich vorhabe, meine Pflichten sehr ernst zu nehmen!«
Ob ich es will oder nicht. Das unterschwellige Versprechen war nicht zu überhören.
»Tut mir leid, aber so ist es.«
»Raus aus meinem Kopf!«, flüsterte ich.
Er zuckte entschuldigend die Achseln, doch in seiner Stimme klang ein Anflug von Schalk mit. »Bin mir nicht sicher, ob ich das kann. Und selbst wenn, fragt sich, ob ich es täte. Diese Verbindung könnte in nächster Zeit mein größtes Kapital sein, weil ich vermute, dass du jetzt erst mal ein Weilchen nicht mehr mit mir sprichst.«
Er verriet mich, indem er in meine Gedankenwelt eindrang. Da ich wusste, es würde ihn ärgern, dachte ich: Feind, und er machte ein finsteres Gesicht.
Angesichts dieses weiteren Verrats, errichtete ich die Mauer um mich höher und kompakter denn je. Als er die Wut hinter dieser Geste spürte, zuckte er zusammen.
»Ich kann deine Gedanken nicht immer lesen, vor allem dann nicht, wenn deine Mauern oben sind«, sagte er, als ich aufstand. »Ganz verstehe ich’s noch nicht, aber ich glaube, am besten lese ich sie, wenn wir uns berühren. Oder wenn du besonders viel empfindest.«
Na toll. Und das, wo ich in seiner Nähe so viel empfand! Er würde meine Geheimnisse kennen, die Dinge, die ich allen verheimlicht hatte. Meine Nase berührte fast seine, als ich mich nach vorn beugte und meinen Schutzschild so lange unten hielt, um einen Gedanken regelrecht herauszuschreien.
Lass mich in Ruhe!
Als ich mich zu meinen Freunden zurückzog, hielt er mich nicht auf.
14
Nach der Schule fuhr ich zum Lernen ins Clover Café und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als ich Asher dort nirgends entdeckte. Seit Wochen hatte er meine Gedanken gelesen. Offensichtlich nicht alle, weil ich ihm sagen musste, dass ich wusste, dass er ein Beschützer
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