Touched
ablief, oder? Er war sauer, weil er mich nicht zum Weinen bringen konnte. Und Anna hat dabei zugeschaut und nichts gemacht. NICHTS!« Ich drückte mein Gesicht gegen seines, und mein Schrei hallte von den Wänden wider. »Willst du noch mal behaupten, ich sollte ihretwegen weinen?«
Bens Hand schnellte hoch. Jahre der Gewohnheit ließen mich davor zurückzucken und die Arme heben, um mein Gesicht vor dem bevorstehenden Schlag zu schützen.
Alles hielt an. Mein Schreien. Lauras Schluchzen. Mein und Bens schwerer Atem erfüllten den Raum.
»Remy, Liebes. Es ist okay. Du bist in Sicherheit.«
Lauras sanfte Stimme erreichte mich schließlich durch den Albtraum, der mich erfasst hatte. Ich senkte meine Arme und sah Bens Fassungslosigkeit. Er hatte mich trösten wollen und nun schaute er so entsetzt, als hätte er mich wirklich geschlagen.In mir legte sich ein Schalter um und Beschämung trat an die Stelle von Wut. Mir wurde übel, als er mehrere Schritte vor mir zurückwich und seine Hände hinter den Rücken legte, um weniger bedrohlich zu wirken. Als ob Ben mich je bedrohen würde.
Instinktiv schlang ich meine Arme um seine Taille, um ihn um Verzeihung zu bitten, und heilte seinen unregelmäßigen Herzschlag aus Gewohnheit und Reue gleich mit. »Es tut mir leid, Ben. Es tut mir leid, es tut mir leid!« Unter meiner Wange klang sein Herzschlag stark, und ich bekam fast keine Luft mehr, als er meine Umarmung erwiderte, wobei er die Prellung an meinem Rücken sorgsam aussparte. »Ich hab’s nicht so gemeint. Tut mir leid.«
Sein Atem zerzauste mir das Haar. »Du hast jedes Wort so gemeint. Und Remy, ich schwöre dir, ich würde dir nie wehtun!«
Ich musste weg von ihm und den starken Emotionen im Raum. Als ich mich gegen Bens Brust stemmte, ließ er mich widerstrebend gehen. »Ich vertraue dir, dass du mich nicht schlägst, aber du könntest mich verletzen.«
Als er protestieren wollte, hielt ich eine Hand hoch. »Ich bin nicht Lucy. Ich bin nicht in deinem sicheren Heim groß geworden, wo ich einen Gutenachtkuss und eine Geschichte erzählt bekam, bevor du mich ins Bett gesteckt hast. Ich liebe Lucy, aber manchmal hasse ich dich dafür, dass du sie mehr liebst. Denn du kannst mir nicht erzählen, dass es irgendwas auf Erden gibt, das sie dir wegnehmen könnte. Und mich hast du gehen lassen.«
Ben schluckte und schwieg.
Kopfschmerzen drohten, und ich rieb mir die Stirn. »Entschuldige, Ben. Ich möchte dich nicht verletzen, aber ich passe schon seit Langem auf mich selbst auf. Ich habe ohne dich gelernt,wie man überlebt und kann das jetzt nicht ändern, nur damit du dich besser fühlst.«
»Was möchtest du von mir?«
»Ich möchte … ich möchte, was du mir schon angeboten hast. Sei mein Freund. Keine Therapeuten und nichts von wegen, du wüsstest, was das Beste für mich ist. Vertrau mir.«
Ben trat vor. »Das kann ich machen, aber du musst auch was für uns tun. Ich bin jetzt dein Erziehungsberechtigter, im Guten wie im Schlechten. Es muss Regeln geben.«
»Das ist fair.« In dem Bemühen, zur Normalität zurückzukehren, lächelte ich, auch wenn sich das Lächeln wie Plastik anfühlte. »Wie sehen deine Date-Regeln aus?«
Diesmal trat Laura vor und ergriff Bens Hand. »Dating ist ein Privileg. Wenn deine Noten leiden, wird das Privileg aufgehoben. An Schultagen ist um 22:00 Uhr Sperrstunde, an Wochenenden um Mitternacht. Du erzählst uns immer, wo du sein wirst, und zuerst lernen wir den Jungen kennen.«
Ihre Ansprache klang einstudiert, als hätte sie Lucy dasselbe vorgetragen. »Damit kann ich leben. Asher Blackwell ist morgen früh hier und holt mich zur Schule ab. Da könnt ihr ihn kennenlernen.«
Ashers Name sagte Ben etwas, seine Augen leuchteten auf und er nickte. »Gut.«
Erschöpft wandte ich mich zum Gehen. Als ich an ihr vorbeikam, berührte Laura meinen Arm, und ich drückte entschuldigend ihre Hand. Ich hatte nie vorgehabt, dass es an diesem Abend so eskalieren würde und ich hätte mich am liebsten in ein Loch verkrochen. Ich rannte die Treppe hinauf und befand mich bereits oben, als Ben nach mir rief. Er stand am Fuß der Treppe und hatte eine Hand aufs Geländer gelegt.
»In einem Punkt hast du dich geirrt. Ich liebe Lucy nicht mehr als dich, Remy.«
Ich wusste nicht, wie ich auf die Ehrlichkeit in seiner Stimme reagieren sollte. Ich nickte nur, drehte mich um und drückte die Klinke meiner Zimmertür nach unten.
»Nacht, Remy!«, rief Ben mir hinterher.
18
An Schlaf war
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